Der Weg zum Mars – ohne Abkürzung

von | 05.02.2016 | Belletristik, Buchpranger

Kim Stanley Robinson will zum Mars. Und da schreibt er sich auch hin. In vielen Worten. Über 800 Seiten hat der erste Band seiner Mars-Trilogie. Und diese braucht er auch, um seine Erzählung in alle wissenschaftlichen, gesellschaftlichen und politischen Ecken auszudehnen, die er in „Roter Mars“ bearbeitet und beleuchtet. – Von Bücherbändigerin Elisabeth

Wir schreiben das Jahr 2026. Endlich ist es soweit und die ersten Hundert fliegen zum Mars. Eine Delegation aus russischen und amerikanischen Astronauten, Wissenschaftlern und Pionieren raufen sich in ihrer neuen Mini-Gesellschaft zusammen. Oder auch nicht. Endlich landen sie auf dem Mars und beginnen sofort mit dem Aufbau von Habitaten, mithilfe von viel Technik und Robotern. Und schon jetzt teilen sich die Meinungen, wie man weiter verfahren sollte. Die „Roten“ verfechten die Ansicht, den Mars so lange wie möglich in seiner natürlichen Form zu lassen, andere sprechen sich für das „Terraforming“ aus, um auf dem Mars so schnell wie möglich eine erdähnliche Atmosphäre zu schaffen.
Zudem spaltet sich eine Gruppe ab, die verschwindet und sich erfolgreich verstecken kann. Eine Gruppe, die sich um Fortpflanzung durch genetische Beeinflussung bemüht. Kaum, dass die Besiedelung des Mars reibungsloser funktioniert, meldet die Erde, die heillos überbevölkert und voller Unruhen ist, ihr Recht an, den Mars nur als Sache, Kolonie und Ressource zu sehen, während Marsbewohner für die Unabhängigkeit und Selbstbestimmung kämpfen. Politik, Wirtschaft und Macht treffen aufeinander und selbst auf dem Mars spitzen sich die Ereignisse zu, die Fronten verhärten sich. Bis ein Eklat unausweichlich scheint.

Ein langer Weg durch detaillierte Beschreibungen

Robinson hat mit seinem Werk ein bildgewaltiges Werk geschaffen, das allerdings viele Schwächen aufweist. Seine Art, Landschaften zu beschreiben, macht es dem Leser leicht, sich den Mars, das Leben darauf und die Landschaften sehr gut und bildhaft vorzustellen, nur manchmal zu viel und zu ausführlich. Außerdem ist seine Recherche in verschiedensten Bereichen der Wissenschaften, Psychologie, Biologie und anderen Bereichen sehr fundiert, sodass er in allen Bereichen ausführlich schreiben und beschreiben kann.
Leider werden genau deswegen sehr viele Passagen sehr genau beschrieben und durch wissenschaftliche Erklärungen sehr langwierig. Generell ziehen sich die langen Beschreibungen zwischen oft nur flachen Spannungsbögen. Die Komplexität der Materie und Themen scheint ein Vorankommen der Handlung und den Aufbau von Spannung zu verhindern. Spannungsmomente werden dagegen zu wenig ausgekostet und zu schnell abgehandelt, um dann erneut in langen Beschreibungen zu enden.

Klischee um Klischee

Das Buch ist in acht Abschnitte unterteilt. In jedem erzählt hauptsächlich eine Person aus ihrer Perspektive und Sichtweise. Dadurch werden verschiedene Standpunkte und Einstellungen der Charaktere beleuchtet. Dennoch ist es meistens nicht genug, um den Erzählern und handelnden Personen wirkliche Tiefe und einen eigenständigen Charakter zu geben. Manchmal wirken die Handlungen der Personen auswechselbar. Immer wieder wird mit Klischees gearbeitet, die angesichts der sehr aktuellen Themen wie Überbevölkerung, Flucht vor Krieg und Hungersnot, dem wissenschaftlichen Durchbruch in Gesundheit und Genforschung, politischer Korruption und ähnlichem nicht sehr angemessen scheinen. Das Buch zeigt gegen Ende hin mehr Stärken, wird flüssiger, spannender und aufregender. Dies wiegt die ersten paar hundert Seiten langwierigen Erzählens aber nicht mehr auf.

Kim Stanley Robinson hat sich an ein komplexes Werk herangewagt, das durch seinen Schreib- und Erzählstil ein sehr großes hätte werden können. Leider fehlt die Spannung und verläuft sich oft in wissenschaftlichen Abhandlungen und Erklärungen aus viel zu vielen Bereichen und ist gleichzeitig in vielen Bereichen zu klischeehaft. Schade, denn der Ansatz, die schnelle Entwicklung einer Gesellschaft auf dem Mars bis zu ihrem Eklat zu verfolgen und zu beschreiben und damit durchaus Parallelen in der Erdgeschichte zu finden, ist sicherlich ein spannender. Die Umsetzung hielt aber nicht das, was die Idee versprach.

Roter Mars. Kim Stanley Robinson. Übersetzer: Winfried Petri. Heyne. 2015.

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