Der Junge, der sein Herz höher schlagen lässt

von | 17.08.2018 | #Kunterbunt, Auditorium, Buchpranger, Hörbücher, Kinder- und Jugendbücher, Specials

In dem Coming-of-Age-Roman „Die Mitte der Welt“ von Andreas Steinhöfel aus dem Jahr 1998 geht es zentral um den siebzehnjährigen, homosexuellen Phil. Ebenso sind seine soziale Umwelt, die Mitmenschen und Erlebnisse, die er mit diesen teilt, von Bedeutung. Geschichtenzeichnerin Celina hat „Die Mitte der Welt“ als Buch gelesen und als Hörbuch angehört.

Phil lebt mit seiner alleinerziehenden Mutter Glass und seiner Zwillingsschwester Dianne in der alten Villa Visible, am Stadtrand. Die Stadtbewohner mögen die Familie nicht besonders. Sie finden diese merkwürdig und bezeichnen die Zwillinge als „Hexenkinder“. Glass kommt ursprünglich aus Amerika und ist schwanger nach Deutschland gezogen. Phils beste Freundin ist Kat, die Tochter des Schuldirektors, die immer wieder gegen die Verbote ihrer Eltern verstößt, um Phil zu besuchen. Ebenso ist die Rechtsanwältin Tereza eine wichtige Bezugsperson, sowohl für Phil als auch für seine ganze Familie.

Im Zentrum des Romans steht die zunehmende Liebe Phils zu seinem Mitschüler Nicholas und die Entwicklung seiner Freundschaft zu Kat. Aber auch seine eigensinnige Schwester und Mutter sowie das Geheimnis, welches das Verhältnis zwischen den beiden zerrüttet hat, ist bedeutend.

Es war, es ist und wird werden

Der Roman spielt in der Zeit, als Phil siebzehn Jahre alt ist. Allerdings gibt es immer wieder Rückblenden in die Vergangenheit. Hier werden spezifische Ereignisse erzählt, wobei bestimmte Personen, welche Phil wichtig sind, genauer beleuchtet werden. Darunter fallen zum Beispiel einzelne Teilkapitel, die in Phils Kindheit spielen oder Erinnerungen an seine Mutter und ihre vielen Liebhaber. Es gibt aber auch Gedanken, die immer wieder aufgegriffen werden und sowohl in der Vergangenheit als auch in der Gegenwart aktuell sind, wie etwa die Frage, wer Nummer drei, beziehungsweise sein Vater ist.

Ein Stil sondergleichen

An Steinhöfels Schreibart ist bemerkenswert, wie er Phils Perspektive darstellt. Es werden Beobachtungen und Wahrnehmungen Phils detailliert geschildert und auch seine Gedanken dabei so formuliert, dass sie in die beschriebene Situation oder die zu beobachtende Handlung einer Person eingeflochten und nachvollziehbar sind. Der Autor schreibt dabei auf hohem sprachlichem Niveau, so dass dieser Roman zwar zur Jugendliteratur zählt, aber mehrheitlich erfahrene Leser angesprochen werden. Er benutzt ebenfalls Metaphern und schafft es, die Atmosphäre sowie Emotionen authentisch zu beschreiben. Ein Beispiel wäre hier die Beschreibung des verfallenden Hauses Visible und dessen Garten, welche mystisch und märchenhaft erscheinen wie ein altes Schloss. Steinhöfel verleiht dem Haus einen Zauber und seinen Charme. Sein Schreibstil ist bildmalerisch, sodass der Inhalt des Buches plastisch vorstellbar wird.

Auch die Gestaltung seines Protagonisten ist originell, da Phil etwas schüchtern und passiv wirkt und trotzdem ein sympathischer Charakter ist, der emphatisch auftritt. Durch diese Charakterzüge und den Schreibstil kann man sich gut mit Phil identifizieren.

Liebe und Sex

„Die Mitte der Welt“ geht auch darauf ein, wie es ist, das erste Mal so richtig verliebt zu sein und das erste Mal beziehungsweise die ersten Male Sex zu haben. Wie es ist, heranzuwachsen und nach und nach mit der Liebe seine Erfahrungen zu sammeln. Dabei ist auffällig, dass Phils Homosexualität zwar wichtig ist und thematisiert wird, aber es nicht primär nur darum geht. Einige Personen, wie die Mutter, Schwester, Freunde etc., in Phils Umgebung tolerieren seine sexuelle Orientierung einfach so wie sie ist. So kommen auch Themen wie Eifersucht, Freundschaft, Liebeskummer Familie und weitere nicht zu kurz.

Kritik?

In Steinhöfels Werk „Die Mitte der Welt“ ist es schwer, Kritikpunkte zu finden. Es ist ein origineller Roman für Jugendliche mit Leseerfahrungen, welcher mit bemerkenswerten Charakteren, besonders dem Protagonisten Phil, aufwartet. Hinzu kommt, dass die Beziehungskonstellationen zwischen den Figuren umfangreich und detailliert geschildert werden. Diese werden gut verpackt erzählt und dabei werden unterschiedliche Zeiträume, von der Kindheit bis zur Jugend, genutzt. Alles in allem ist „Die Mitte der Welt“ eine empfehlenswerte Lektüre, ebenso für Erwachsene. Zudem ist das Hörbuch, gelesen von Rufus Beck („Harry Potter“-Hörbücher), empfehlenswert, da es bemerkenswert vertont wurde. Allerdings muss man sich darauf einstellen, dass es sich um eine gekürzte Lesung handelt.

Buch: Die Mitte der Welt. Andreas Steinhöfel. Carlsen. 1998, 2004.
Hörbuch: Die Mitte der Welt. Andreas Steinhöfel. Sprecher: Rufus Beck. Carlsen. 2013.

 

Ein Beitrag zum Special #Kunterbunt. Hier findet ihr alle Beiträge.
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Das Bücherstadt Magazin wird herausgegeben vom gemeinnützigen Verein Bücherstadt. Unter dem Motto "Literatur für alle!" setzt sich die Redaktion mit der Vielfalt der Literatur im Sinne des erweiterten Literaturbegriffs in verschiedenen medialen Aufbereitungen auseinander.

2 Kommentare

  1. Avatar

    Hey! Das Buch hört sich ziemlich gut an ich werde auf jeden Fall nächstes Mal in der Buchhandlung darauf achten. Mit Andreas Steinhöfel kann man eh nichts falsch machen. Danke für den Tipp!
    Liebe Grüße,
    Svenja

    P.S. Schau doch gerne auch mal auf meinem Blog vorbei. Ich bespreche Romane, Thriller, Kinder- und Jugendbücher und Comics. Vielleicht ist hier auch einmal was für dich dabei :): https://pantaubooks.wordpress.com/

    Antworten
    • Bücherstadt Kurier

      Schön, dass du den Weg zu uns gefunden hast, liebe Svenja! Erzähl uns gerne, wie dir das Buch gefallen hat, sobald du es gelesen hast. Viele Grüße!

      Antworten

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