Der belgische Symbolismus in all seinen Facetten

von | 17.03.2021 | Buchpranger, Sach- und Fachbücher

Die Ausstellung „Dekadenz und dunkle Träume – Der belgische Symbolismus“ ist in der Alten Nationalgalerie in Berlin ab dem 18.09.2020 zu sehen gewesen. Gleichfalls können in der Corona-Zeit durch den gleichnamigen Katalog die Werke der Symbolist*innen bestaunt werden. Geschichtenzeichnerin Celina hat sich beides angesehen.

Im Vorwort von Udo Kittelmann, Direktor der Nationalgalerie, wird aufgegriffen, worum es in der Ausstellung und im Katalog thematisch geht. Der Fokus liegt auf dem Symbolismus, eine Kunstströmung ab dem Ende des 19. Jahrhunderts. Dabei wird Brüssel, mit seinem Kunstzentrum Fin de Siècle, besonders in Betracht gezogen. Die historische Dimension wird angesprochen, indem aufgezeigt wird, dass es sich hierbei um eine Zeit des Wandels handelte. Geprägt von der Industrialisierung, die durch starke Entwicklungen in der Technik verbunden war.

Darüber hinaus wird die Ausstellung mit rund 200 Exponaten und ihre Anliegen vorgestellt, denn „Namen belgischer Künstler dieser Zeit kennen die wenigsten hierzulande (in Deutschland), …“ „Durch gezielt ausgewählte Exponate gelingt es, die Verbindung zwischen belgischen Künstlern und der europäischen Kunstströmung darzustellen.“

Durch das Weglassen der weiblichen Form oder des Gendersterns könnte es den Eindruck erwecken, dass es sich nur um männliche Künstler handelt. Beim Nachschauen im hinteren Abschnitt des Katalogs unter der Überschrift „Biografien belgischer Künstlerinnen und Künstler“ von Arnika Groenewald-Schmidt und durch Recherche im Internet fällt allerdings auf, dass es auch Künstlerinnen des Symbolismus gab. Vielleicht nicht so bekannt und vielleicht nur wenige, aber es gab sie. Sie sollten im Vorwort nicht ausgelassen werden, weil es sonst unvermeidlich zu falschen Rückschlüssen kommt.

Struktur

Beim Ausstellungskatalog handelt es sich um ein großformatig schweres Buch im Hardcover. Also nichts, um damit durch die Ausstellung zu gehen, sondern mehr, um sich vorab oder im Nachhinein mit der Thematik auseinanderzusetzen. Die ersten rund 100 Seiten füllen vorrangig Essays von verschiedenen Expert*innen mit unterschiedlichen Themenschwerpunkten. Darauf folgt der Abbildungskatalog, der in spezifische Kategorien unterteilt ist. Diese heben sich deutlich durch jeweils einseitige Texte mit entsprechenden Überschriften ab. Die Texte stellen grundlegende Themen vor und bringen die Inhalte kurz und knapp auf den Punkt.

Der erste Essay

Der Text „Zwischen Todessehnsucht und Dekadenz – Der belgische Symbolismus“ von Ralph Gleis gibt einen erweiterten Überblick über die Zeit des Symbolismus. Dabei werden nicht nur der Wandel in Wirtschaft, Technik, Wissenschaft, Gesellschaft und Kultur angesprochen, sondern auch die Kunstschaffenden in den Blick genommen. Gleis geht auf die Kunstzentren Belgien und Paris ein – zum Beispiel in Belgien auf die 1883 gegründete Gruppe „Les XX“ und in Paris auf den 1884 erschienenen Schlüsselroman „A rebours“. Dabei wird nochmal deutlich, dass die Literatur einen ebenso wichtigen Stellenwert hatte, jedoch wird im Rahmen der Ausstellung und des Kataloges der Fokus mehr auf die Bildende Kunst des Symbolismus gelegt.

Ebenfalls wird „der Kunsttransfer mit dem deutschsprachigen Raum“ besprochen und erklärt, dass „die Themen (der Werke) im Grenzbereich zwischen Traum und Realität, Unbewusstem und Bewusstem“ liegen. Im Symbolismus fand somit eine verstärkte Auseinandersetzung mit der menschlichen Psyche und dem Seelenleben statt. Des Weiteren werden die heterogenen Schaffensprozesse und vielfältige Bildmotive dieser Strömung aufgezeigt.

Im letzten Abschnitt des Essays wird eine Entwicklungseinordung zwischen den Epochen vorgenommen – von Vorbildern, Wideraufnahmen bis zu Rückbezügen. Allerdings bleibt offen, ob der Symbolismus auch für sich stehen kann, vielleicht als ein Zeugnis seiner Zeit, ohne ihn als alternative Moderne in einem kunsthistorischen Schema verorten zu müssen. Zudem wären gezielte Beispiele, die diese Verortungen belegen oder aufzeigen, für eine bessere Nachvollziehbarkeit für Lesende hilfreich gewesen.

Weitere Essays

Es schließen sich sieben weitere kunstwissenschaftliche Texte an, die sich mit dem europäischen Kontext, den Ausstellungen von Les XX und La Libre Ethétique, den Ursprüngen in Belgien, der Rezeption des Mittelalters, den deutsch-belgischen Wechselbeziehungen im Fin de Siècle und der Buch- und Illustrationskunst beschäftigen. Somit werden unterschiedliche Perspektiven auf die Werke des Symbolismus und Vertiefungen von spezifischen Aspekten geboten.

Ausstellungsbesuch

Am letzten Besuchertag, den 01.11.20, bevor auch die Staatlichen Museen zu Berlin wegen des Lockdowns schließen mussten, waren viele Menschen vor Ort. Wahrscheinlich, weil einige Besucher*innen noch die Möglichkeit ausschöpfen wollten, die Werke zu betrachten. Es war teils recht eng, was auch an einzelnen schmalen Räumlichkeiten im Museum liegt.

Augenfällig war, dass die Kategorisierungen in der Ausstellung wie im Katalog erfolgten. Bilder wurden zusammengefasst unter Überschriften wie „Die Frau als Rätzel, Rendezvous mit dem Tod und Erträumte Natur“. Auch Textpassagen waren dazu auf bedruckten Aufstellern vorhanden.

Zielpublikum

Die Ausstellung sowie der Katalog „Dekadenz und dunkle Träume – Der belgische Symbolismus“ ist besonders empfehlenswert für alle Kunstliebhabenden. Die im Katalog stehenden Essays richten sich an eine erfahrende Kennerschaft der Kunstgeschichte. In diesen Texten vermitteln Expert*innen ihr kunstwissenschaftliches Wissen. Darüber hinaus bieten die einseitigen Zwischentexte im Abbildungskatalog für Einsteiger und Interessierte einen Überblick über den belgischen Symbolismus. Diese Texte sind einfach gehalten und dadurch leicht zugänglich. Generell werden alle Werke der Ausstellung im Abbildungskatalog einseitig gezeigt, der somit einen guten Überblick bietet.

Mehr Informationen zur Ausstellung findet ihr hier.

Dekadenz und dunkle Träume – Der belgische Symbolismus. Ralph Gleis, Hans Körner, Jane Block u.a. Hirmer. 2020.

Bücherstadt Magazin

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Das Bücherstadt Magazin wird herausgegeben vom gemeinnützigen Verein Bücherstadt. Unter dem Motto "Literatur für alle!" setzt sich die Redaktion mit der Vielfalt der Literatur im Sinne des erweiterten Literaturbegriffs in verschiedenen medialen Aufbereitungen auseinander.

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