Fluch und Segen einer Besessenheit

von | 26.10.2021 | #Todesstadt, Buchpranger, Graphic Novels, Comics, Manga, Specials

Der Comic „Daphne Byrne – Besessen“ von Autorin Laura Marks und Zeichner Kelley Jones erzählt die Geschichte der namensgebenden jungen Daphne Byrne, die mit ihrer strengen Mutter, gehässigen Gleichaltrigen und ihrer Fähigkeit, Geister zu sehen, zu kämpfen hat. Geschichtenerzähler Adrian hat ihre Geschichte verfolgt.

Nach dem Tod ihres Vaters lebt die junge Daphne Byrne zusammen mit ihrer Mutter im London des späten 19. Jahrhunderts. Letztere verzweifelt an ihrer Rolle als Alleinerziehende und sucht Halt und Rat bei einer Hellseherin. Daphne, die ihre Sorgen dem Grabstein ihres Vaters anvertraut, sieht das Vertrauen, das ihre Mutter in die Hellseherin setzt, kritisch. Doch die Versuche, ihre Mutter von der Scharlatanerie eben jener Hellseherin zu überzeugen, führen nur zu einem größeren Zerwürfnis zwischen Mutter und Tochter.

Verzweifelt sucht Daphne die Hilfe von Mister Brooke, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, Betrüger zu entlarven, die vorgeben, mit den Toten sprechen zu können. Zusammen hecken sie einen Plan aus, um Daphnes Mutter zu überzeugen, doch dabei decken sie Schreckliches auf.

Neben den Streitereien mit ihrer Mutter plagen Daphne höllische Träume mit entstellten und dämonischen Gestalten. Darin begegnet sie auch einem jungen Mann, der sich ihr als eine Art Bruder vorstellt. Jedoch bleiben jene Visionen nicht in ihren Träumen, sondern finden bald schon ihren Weg in die Realität.

Falsche Erwartungen

Wer das Cover gesehen und daraufhin die Rezension gelesen hat, wird sich jetzt wahrscheinlich wundern. Groß auf dem Cover steht doch „Joe Hill“, doch nun will ich euch weismachen, eine gewisse Laura Marks hätte diese Geschichte geschrieben.

So ist es auch. Wer hinter diesem Cover eine Geschichte des Sohnes von Horrormeister Stephen King erwartet, sollte lieber genauer hinschauen, denn auf den ersten Blick wird hier mit falschen Erwartungen gespielt, die an einen großen Namen geknüpft sind. Unter dem DC Black Label und Joe Hills Hill House Comics wird hier eine Art Horror-Anthologie, aufgeteilt in mehrere Einzelcomics, präsentiert, in der „Daphne Byrne – Besessen“ nur einen Teil darstellt.

Horror dieser Zeit

„Daphne Byrne – Besessen“ schafft es, den Aberglauben und den Mystizismus, der zu dieser Epoche in England en Vogue war, einzufangen und ihn bildlich in verschiedenen Facetten darzustellen: zum Beispiel der Glaube an Geister und die Möglichkeit, mit ihnen in einer Séance Kontakt aufzunehmen, sowie die Scharlatanerie, die mit der Hoffnung der Hinterbliebenen betrieben wurde. Dagegen steht Daphne selbst, die wirklich eine Verbindung zu Geistern und Dämonen hat, der man jedoch keinen Glauben schenkt.

Höllenmalerei

Für das Zeichnen und Tuschen dieses Comics ist sehr viel schwarze Farbe draufgegangen. Schwarze Kleidung, schwarze Haare, schwarze Schatten und so weiter. Alles wirkt düster, trist und beinah hoffnungslos.

Während die Realität in teils matten, verwaschenen Farben daherkommt, sind die Geister- und Dämonenerscheinungen mit vielerlei Farben dargestellt und warten mit einer teils unheimlichen, aber auch schockierenden Vielfalt auf. Menschenähnliche ohne Haut, halb Verwesende, koboldartige Wesen mit spitzen Zähnen und viele weitere sind zu sehen. Mit den Bildern hat Kelley Jones es geschafft, eine schaurige und düstere Atmosphäre auf Papier zu bringen.

Gute Ansätze

Daphne Byrnes Kampf gegen eine betrügerische Hellseherin ist interessant, jedoch von Anfang an offensichtlich hoffnungslos. Allein die Inszenierung Daphnes als Außenseiterin und missverstandenes Mädchen zeigt sofort, dass sie gegen Windmühlen kämpft. Der Aberglaube ihrer Mutter ist einfach zu stark.

Es ist vorhersehbar, dass die junge Byrne es ohne fremde Hilfe nicht schafft und dass diese Hilfe offensichtlich in ihrer Fähigkeit zu finden ist, mit Geistern zu kommunizieren, ist auch nicht schwer zu erahnen.

Hmmm …

Zeichnerisch kann der Comic „Daphne Byrne – Besessen“ auf vielerlei Wegen überzeugen. Das Spiel mit Licht und Schatten erzeugt eine angenehm düstere Atmosphäre und die Geistererscheinungen sorgen für den nötigen Grusel. Einzig, dass Daphne in manchen Panels aussieht, als wäre sie 30 oder 40 Jahre älter, wirkt etwas seltsam.

Erzählerisch ist der Comic vorhersehbar und es gibt wenige Stellen, die wirklich überraschend sind. Auch wenn er anfangs den Eindruck macht, schafft es dieser Comic kaum an den Horrorklassikern der viktorianischen Ära, wie beispielsweise Mary Shellys „Frankenstein“ oder „Das Bildnis des Dorian Gray“, zu kratzen.

Daphne Byrne – Besessen. Autorin: Laura Marks. Zeichnungen: Kelley Jones. Farbe: Michelle Madsen. Übersetzung: Gerlinde Althoff. Panini Comics. 2020.

[tds_note]Ein Beitrag zum Special #Todesstadt. Hier findet ihr alle Beiträge.[/tds_note]

Adrian Ziebarth

Adrian Ziebarth

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