Daniel Beskos im Interview

von | 08.10.2017 | Buchpranger, Im Interview, Stadtgespräch

Mir gefällt besonders die Vielseitigkeit unserer Arbeit. Dass man in alle Bereiche nicht nur Einblick bekommt, sondern eigene Ideen entwickeln und umsetzen kann. Dass man die Gelegenheit bekommt, mit tollen Künstlern zu arbeiten.

mairisch ist ein kleiner, unabhängiger Verlag mit dem Herz am rechten Fleck: Im Interview mit Verleger und Inhaber Daniel Beskos hat Worteweberin Annika zum Beispiel in Erfahrung gebracht, wie in einer Mischung aus Größenwahn und völligem Unwissen der mairisch Verlag entstand, was an der Arbeit im Verlag besonders Spaß macht und wer in dieser Saison Meister wird.

Bücherstadt Kurier: Zum Einstieg: Können Sie den mairisch Verlag und das Programm kurz vorstellen?

Daniel Beskos: mairisch ist ein Independent-Verlag mit Sitz in Hamburg. 1999 gegründet, ist der Verlag seit 2005 im Buchhandel vertreten. Ob Roman, Erzählband, Hörspiel oder Musik: Wir veröffentlichen nur, was uns am Herzen liegt – und legen dabei Wert auf hochwertige Gestaltung, gründliches Lektorat und eine langfristige, freundschaftliche Zusammenarbeit mit unseren Autor*innen. Dabei wird der „kleinen Form“ der Erzählung ebenso viel Aufmerksamkeit geschenkt wie dem Roman. Autor*innen wie Finn-Ole Heinrich, Michael Weins, Benjamin Maack, Donata Rigg, Stefan Beuse, Dorian Steinhoff, Stevan Paul, Florian Wacker, Andreas Stichmann und Lisa Kreißler zählen zu den aufregenden Stimmen der jungen Gegenwartsliteratur.
Weitere Schwerpunkte liegen in der freien Hörspielszene, aber wir veröffentlichen auch Musik (u.a. die Alben von Spaceman Spiff), Graphic Novels sowie Sachbücher (z.B. „Die Philosophie des Radfahrens“). Wir veröffentlichen bewusst nur sehr wenige Titel pro Jahr, um diesen mehr Aufmerksamkeit und Energie widmen zu können. Zu unseren Highlights aus dem aktuellen Jahr gehört sicher der Roman „Das Buch der Wunder“ von Stefan Beuse und das neue, im September erscheinende Kinderbuch „Trecker kommt mit“ von Finn-Ole Heinrich und Dita Zipfel, illustriert von Halina Kirschner.

BK: Was für eine Aufgabe übernehmen Sie selbst im Verlag?

DB: Ich bin Verleger und einer der drei Inhaber des mairisch Verlags. Da wir ein recht kleines Team von 4 bis 5 Leuten sind, teilen wir uns natürlich viele Aufgaben – ich bin also etwa in die Programmplanung, ins Lektorat, in die Herstellung, in die Pressearbeit, den Vertrieb und in die Veranstaltungen involviert, bin daneben aber auch für Verträge, Lizenzen und Finanzen zuständig.

BK: Gibt es Dinge, die Ihnen bei der Verlagsarbeit besonders viel Spaß machen? Und gibt es auch etwas, dass Ihnen nicht gut gefällt?

DB: Mir gefällt besonders die Vielseitigkeit unserer Arbeit. Dass man in alle Bereiche nicht nur Einblick bekommt, sondern eigene Ideen entwickeln und umsetzen kann. Dass man die Gelegenheit bekommt, mit tollen Künstlern zu arbeiten. Dass man manchmal mit ihnen mitreisen kann, sei es mit einem Autor nach Island oder mit einem Musiker nach Bielefeld. Und dass man mit Menschen, die man mag, Dinge herstellen kann, die man toll findet. Nicht so toll ist natürlich, dass die Buchhaltung immer aufwändig wird. Man sitzt einfach zu lange Zeit vor irgendwelchen Tabellen.

BK: Wie ist es damals überhaupt dazu gekommen, dass Sie einen Verlag gegründet haben?

DB: mairisch war ja gar nicht als Verlag oder als Unternehmen oder Beruf geplant. Es hat alles zum Ende unserer Schulzeit Mitte der 90er Jahre mit Lesungen in Südhessen begonnen, wo wir drei – Blanka Stolz, Peter Reichenbach und ich – herkommen. Da haben wir kleine Lesungen in einem Kulturzentrum organisiert, mit Autor*innen aus unserem Freundes- und Bekanntenkreis. Es war sehr gut besucht, alle fanden es toll, und wir haben es dann monatlich gemacht.
Nach der dritten Veranstaltung kam die Frage, ob man die Texte auch kaufen könne. Konnte man natürlich nicht. Also haben wir kleine Hefte mit den Texten vom letzten Mal selbst auf dem Computer gelayoutet, sie zusammengetackert und Fotos reingeklebt – echte! – und einen aufwändigen Umschlag gemacht und diese Hefte haben wir dann in einer Auflage von 100 oder 150 Stück bei der nächsten Veranstaltung verkauft, für zwei Mark. In der Zeit sind wir dann auch zum Gewerbeamt gelaufen und haben in einer Mischung aus Größenwahn und völligem Unwissen den Verlag angemeldet.
Wir haben dann während unserer ganzen Studienzeit in verschiedenen Städten Literaturveranstaltungen gemacht, haben Literaturzeitschriften herausgegeben, ein bisschen Radio gemacht und aber immer eben auch kleine Veröffentlichungen herausgebracht. 2004 hatten wir dann einige Manuskripte vorliegen (u.a. den ersten Erzählband von Finn-Ole Heinrich), bei denen wir dachten: Jetzt probieren wir mal, wie man richtige Bücher macht und die dann auch ganz offiziell im Handel verkauft. Keiner von uns hat eine Ausbildung im Verlagswesen oder so. Wir sind einfach dem Prinzip Do It Yourself gefolgt.

BK: Als unabhängiger Verlag hat man es bestimmt nicht immer leicht. Was fasziniert Sie so an der Arbeit, dass Sie trotzdem dabei bleiben?

DB: Die Gründe, warum wir das machen und gut finden, hab ich oben ja schon beschrieben. Und ich glaube, die Möglichkeit, kreativ zu gestalten und zugleich als Organisator und Ermöglicher zu wirken, gefällt mir. Außerdem können wir frei entscheiden, zumindest meistens: Über unsere Zeit, unser Geld, unsere Aufgaben und mit wem wir arbeiten möchten und mit wem nicht.

BK: Das Team vom mairisch Verlag hat den Indiebookday ins Leben gerufen, was genau ist das eigentlich?

DB: Der Indiebookday, der 2013 erstmals stattfand, ist ein Aktionstag im Buchhandel. An diesem Tag soll sich jeder Teilnehmer ein Buch kaufen, das in einem unabhängigen Verlag erschienen ist, und das natürlich am besten in einer unabhängigen, inhabergeführten Buchhandlung. Dieses Buch soll er dann fotografieren und im Netz einstellen, mit dem Hashtag #indiebookday. Das war‘s im Grunde schon. Wenn das an einem Tag sehr viele Menschen machen, ist es aber eben eine gute Aktion. Es gibt so viele tolle kleine Verlage, die mit viel Herzblut und Leidenschaft schöne Bücher machen. Nur kriegen die wenigsten dieser Bücher eine größere Aufmerksamkeit. Der Indiebookday soll da also ein bisschen Werbung machen.
Im ersten Jahr, 2013, hatte der Indiebookday glaube ich gerade ein aktuelles Thema getroffen: Kampagnen wie „buy local“ waren präsent, überall ging es um „regionale Produkte“, „Nachhaltigkeit“ und ein Hinterfragen der Struktur. Nur im Buchhandel interessierte sich eigentlich kaum einer der Käufer für die Hintergründe. Dann kam diese ZDF-Reportage über die Arbeitsverhältnisse bei Amazon und auf einmal waren die unabhängigen Verlage und Buchhandlungen wieder etwas mehr im Fokus. Das hat im ersten Jahr für einige Titel, Verlage und Läden viel an Verkäufen gebracht. Auch in den Folgejahren gab es immer wieder Bücher, die vom Indiebookday profitieren, und auch im Ausland passiert inzwischen einiges, es gibt Veranstaltungen in den Niederlanden, Verlage in Italien und Portugal beteiligen sich, Buchhandlungen in Polen und sogar in Brasilien, die Presse in Großbritannien hat berichtet. Aber insgesamt ist noch Luft nach oben – es könnten noch viel mehr Käufer, Buchhändler und Verlage teilnehmen, in Deutschland und natürlich auch international.

BK: Wie wählen Sie unter den schier unendlichen literarischen Projekten diejenigen aus, die in Ihr Programm passen?

DB: Zum einen ist das natürlich Bauchgefühl. Entweder ein Text kriegt uns, reißt uns mit, erzählt uns etwas, was wir so noch nicht gelesen haben, oder eben nicht. Andererseits würde ich sagen, dass es gerade in der jungen Gegenwartsliteratur gar nicht so viele Autor*innen gibt, die uns gefallen und in unser Programm passen. Da geht es also eher darum, sie zu überzeugen, ihr Buch bei mairisch zu machen.

BK: Wie hat sich die Buchbranche seit der Gründung des mairisch Verlags verändert, das ist ja schon eine Weile her?

DB: Haha, naja: Das Internet natürlich. In all seinen Facetten. Das hat quasi fast alle Bereiche der Verlagsarbeit verändert. Das E-Book dagegen hat nicht ganz so viel bewegt, wie viele erwartet haben. Was uns und die Entdeckung neuer Autoren angeht: Wir haben uns seitdem deutlich professionalisiert, die Autor*innen aber auch. Während man früher noch auf Lesungen zufällig auf Autoren und Autorinnen gestoßen ist und sich daraus dann Buchveröffentlichungen entwickelt haben, passiert das heute nur noch selten, heute läuft viel mehr über Agenturen und andere professionelle Kanäle.
Ansonsten ist natürlich die Kommunikation, intern wie nach außen, viel einfacher geworden. Und die Produkte selbst, also die Bücher, sind bei uns im Laufe der Zeit vor allem schöner geworden, was sicher auch mit der wachsenden Konkurrenz durch die digitalen Angebote zusammenhängt. Denn wenn schon gedruckte Bücher, dann ausgewählte und schöne. Und durch die E-Books hat sich uns ein weiterer Kanal eröffnet, wenn auch kein weltbewegender. Aber insgesamt muss man auch einfach beobachten, dass es viel zu viele Bücher gibt. Da ist es, gerade als Verlag, nötig, wirklich nur ausgewählte, sinnvolle Titel auf den Markt zu bringen, finde ich.

BK: Wie lesen Sie in ihrer Freizeit? Hat die Verlagsarbeit da einen Einfluss auf die Buchauswahl oder das Lesen selbst?

DB: Ja, Manuskripte lese ich ja auch, wenn ich da auch nicht hauptsächlich verantwortlich bin. Und durch das Veranstalten von Lesungen und Festivals (wie z.B. HAM.LIT in Hamburg) lese ich natürlich viele Bücher, die dafür in Frage kommen, also zumeist junge Gegenwartsliteratur. Privat lese ich dann gar nicht mehr so viel (Danke, Netflix), aber wenn, dann meist Autoren aus dem englischen Sprachraum. Und Sachbücher, vor allem zu Naturthemen: Weltraum, Evolution, Kontinentaldrift, so was.

BK: Nun noch zu unseren bücherstädtischen Fragen: Wenn Sie selbst ein Buch wären, welches wären Sie dann?

DB: Ui, lustige Frage! Hm, vielleicht die „Stilübungen“ von Raymond Queneau? Nach dem Motto: Wenn sich schon alles wiederholt, dann wenigstens immer anders herangehen.

BK: Und schließlich: Welche Frage haben Sie sich schon immer für ein Interview gewünscht und was würden Sie antworten?

DB: Was glauben Sie, wer diese Saison Meister wird? Antwort natürlich: Werder Bremen. Haha.

BK: Vielen Dank für das Interview!

Foto: Andreas Hornoff

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