Bücher statt TV

von | 14.09.2015 | Gedankenkrümel, Kreativlabor

Könnte mein Fernseher (übrigens noch mit Bildröhre) Geschichten erzählen, er würde wehklagen. Seit rund sieben Monaten herrscht im wahrsten Sinne des Wortes „Funkstille“. Doch wie konnte es so weit kommen?

Es gibt so viele Gründe dem TV-Programm fernzubleiben, wie andere Gründe dafür anbringen würden. Der Meinige ist ziemlich banal und dennoch höchsterfreulich. Es gab eine Zeit, da trug sich fast das gleiche Ereignis schon einmal zu. Etwa vor dreieinhalb Jahren. Es war die Geburt unserer Tochter.
Plötzlich rückten solche alltägliche Dinge wie Fernsehen weit, weit in den Hintergrund. Für anderthalb Jahre blieb die Kiste aus und das berieselnde Flimmern hat weder meiner Frau noch mir gefehlt. Das Tückische daran ist, dass man allzu leicht in alte Muster verfällt. Der Mensch ist wahrlich schwach! Schleichend, Stück für Stück pirschte sich die alles überdeckende Parallelwelt wieder in unser Leben und wenn es auch nicht oft geschah, so geschah es dennoch regelmäßig. Der Fernsehapparat lief. Wir hielten uns wohlweislich fern von allen Privatsendern und deren hirnschmelzenden Flutwellen der „Unterhaltung“. Dennoch blieb ein fader Beigeschmack, wenn man sich spätabends vom Sofa erhob, immer die Gedanken im Hinterkopf: Wieder nix geschafft.

Vor circa einem halben Jahr erlebte das Narkotisieren des TV-Gerätes sein gefeiertes Revival. Seit der Geburt unseres Sohnes ist die Flimmerkiste aus. Das ist nun bald sieben Monate her und bis zum Schreiben dieses Artikels habe ich ungefähr dreimal daran gedacht, dass wir ja noch einen Fernseher haben.
Einen weiteren erfreulichen Nebeneffekt hat der Verzicht auf dieses Medium mit sich gebracht. Man hat wieder viel mehr Zeit zum Lesen. Ich habe seitdem tatsächlich weitaus mehr Bücher gelesen als früher. Ein gutes Buch ersetzt viele Fernsehstunden und ich habe hinterher einfach ein anderes Gefühl als nach dem Fernsehen. Endlich kann man wieder zu sich sagen: „Heute habe ich etwas geschafft.“ Denn: Lesen bildet!

Eine Frage, die sich mir seither stellt, ist: Was wäre anders gelaufen, wenn der Fernsehapparat niemals erfunden worden wäre? Besteht diese Möglichkeit überhaupt theoretisch oder hätte die menschliche Entwicklung so oder so zu einer Visualisierung ihrer Gedanken, Träume, Künste und Ängste gefunden?
Während ich das hier schreibe, überlege ich, ob dieses Thema jemals Gegenstand eines belletristischen Buches gewesen ist. Laut meinen Recherchen gibt es auch nur wenige Sachbücher dazu. Fragen über Fragen, deren Antworten ich nicht kenne, aber die zu lösen ich imstande wäre. Warum nicht selbst dieses Buch schreiben? Da ich nicht mehr fernsehe, könnte ich die Zeit aufbringen. Ein Schluss, zu dem ich mit Fernsehen nie gekommen wäre. (Ohne aber auch nicht!)

Marco

Bücherstadt Magazin

Bücherstadt Magazin

Das Bücherstadt Magazin wird herausgegeben vom gemeinnützigen Verein Bücherstadt. Unter dem Motto "Literatur für alle!" setzt sich die Redaktion mit der Vielfalt der Literatur im Sinne des erweiterten Literaturbegriffs in verschiedenen medialen Aufbereitungen auseinander.

5 Kommentare

  1. Avatar

    Die Frage habe ich mir auch nicht selten gestellt. Andererseits wäre ich ohne die Flimmerkiste nie zum Schreiben gekommen. 🙂

    Antworten
    • Avatar

      Huhu! Ich hatte auch eine Phase, in der ich ganz viel Fern geschaut habe. Aber irgendwann wurde mir das zu „bunt“ mit dieser quitschigen, sich immerzu wiederholenden Werbung. Vor allem bei besonders spannenden Filmen hatte ich den Eindruck, dass ich öfter und länger Werbung schaue als den Film. Es stimmt aber: mich hat die Flimmerkiste auch zu so mancher Geschichte inspiriert. Was genau war denn das bei dir? 🙂

      Antworten
      • Avatar

        Das Fernsehprogramm von heute macht mich leider immer zum Zyniker, weswegen ich zumeist zum Fremdschämen auf Privatkanäle wie Pro8 und Konsorten zurückgreife. Filme schaue ich mir inzwischen größtenteils im Kino oder als DVD an – ich finde es furchtbar, wenn Werbung das Filmvergnügen zerstört.

        Antworten
  2. Avatar

    Ich habe zwar keinen Nachwuchs bekommen, trotzdem geht es mir seit längerer Zeit ähnlich. Ein-, höchstens zwei Mal die Woche schieb ich abends mal eine der vielen ungeguckten DVDs rein, um eine Folge des einen oder anderen BBC- oder ITV-Period-Dramas zu gucken. Aber mehr ist nicht drin, ich will einfach lesen :-).

    Antworten
    • Avatar

      „So ist’s richtig, so ist’s gut – freundlich zieh‘ ich meinen Hut.“

      (Zwar ein Zitat aus dem TV, aber wenigstens aus einer pädagogisch wertvollen Sendung.)

      Danke für’s Lesen und die Unterstützung der Aktion – Marco

      Antworten

Einen Kommentar abschicken

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Wir sind umgezogen!

Wir sind kürzlich umgezogen und müssen noch einige Kisten auspacken. Noch steht nicht alles an der richtigen Stelle. Solltet ihr etwas vermissen oder Fehler entdecken, freuen wir uns über eine Nachricht an mail@buecherstadtmagazin.de – vielen Dank!

Newsletter

Erhaltet einmal im Monat News aus Bücherstadt. Mehr Informationen zum Newsletter gibt es hier.

DSGVO Cookie Consent mit Real Cookie Banner