Auf dem Kartenthron – Ein Plädoyer gegen die Angst

von | 18.11.2015 | Gedankenkrümel, Kreativlabor

Die aktuelle Situation spiegelt das wider, wovor ich mich am meisten fürchte: es sind nicht Gruppen wie die IS oder Al Quaida – oder andere Gruppen mit anderen Namen und anderen politischen, ökonomischen oder ideellen Programmen – die ich fürchte. Es ist die Angst.
Angst, scheinbar wahllos gestreut und schneller zum Lauffeuer entfacht als Buschtrommeln sich miteinander verständigen könnten, ist das eigentliche Ziel von Terror. Nicht zuletzt stammt der Begriff aus dem Lateinischen und bezeichnet genau das, was er säht: Angst. Die Ernte bleibt uns überlassen – nicht einer Nation, nicht einem Kontinent, der gesamten Erde. Wir fürchten Menschen aus der Fremde, die aus Angst ihre Heimat verließen und darauf hoffen, ihr zu entkommen. Wir fürchten davor, von unserer Türschwelle ins Freie zu treten, weil jeder Schritt der letzte sein könnte – überspitzt gesagt. Wir fürchten die Angst selbst, haben Angst davor, darin auf uns selbst zurückgeworfen zu werden und hören dabei nicht auf, uns vor ihr zu beugen.
Wir sind ihre ergebenen Diener – und sie bleibt auf ihrem Thron, weil sie eine intrigante Königin ist: sie beherrscht uns mit eisernem Griff ums Herz, lässt uns bang werden und vor ihr erzittern und flüstert uns Misstrauen ein. Sie schürt die Feindseligkeit und führt uns vor Augen, dass die Menschheit ihren Egoismus auch nach unzähligen Kriegen, die sie eines Besseren hätte belehren sollen, noch nicht verlernt hat.
Manchmal reicht ein einziges Wort, um einen Thron zu stürzen. Die Angst sitzt auf einem Kartenthron, auf den nur genug Luft treffen muss, um ihn zum Einsturz zu bringen. Sie mag ihn immer wieder aufs Neue errichten, doch ein erster Luftzug reicht aus, um ihr ihre Macht zu nehmen. Ich will eines der Worte sein, die an ihrem Thron rütteln: ich will mich verweigern gegen ihren Griff, will mich über meine eigene Furcht hinwegsetzen und dem Terror in meinem Kopf ein Ende setzen, um meinem Nächsten ins Gesicht sehen zu können – ohne Angst in mir, und ohne Angst im Antlitz meines Gegenübers.

Erika

Bücherstadt Magazin

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Das Bücherstadt Magazin wird herausgegeben vom gemeinnützigen Verein Bücherstadt. Unter dem Motto "Literatur für alle!" setzt sich die Redaktion mit der Vielfalt der Literatur im Sinne des erweiterten Literaturbegriffs in verschiedenen medialen Aufbereitungen auseinander.

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