Massentierhaltung wird seit Jahrzehnten diskutiert. Die Menge des auf diese Weise produzierten Fleisches ist enorm. Den daraus entstehenden niedrigen Preisen steht das Wohl der Tiere gegenüber. Astrid Lindgren hatte dazu eine eindeutige Meinung und tat diese bereits in den 80er Jahren kund. – Von Zeilenschwimmerin Ronja
Jedes Jahr gibt es neue Berichte über die häufig schlechten Zustände in der Massentierhaltung. Man möchte meinen, das dauerhafte Engagement so vieler Menschen für das Wohl der Tiere hätte zu deutlichen Verbesserungen geführt. Ich möchte auch nicht bestreiten, dass es Verbesserungen gab und gibt, doch verglichen mit dem, was Astrid Lindgren in ihren Artikeln berichtete, scheinen Veränderungen nur sehr langsam einzutreten. Die präventive Verabreichung von Antibiotika und zu wenig Platz pro Tier etwa sind immer noch Standardthema.
Lex Lindgren – Nur ein Trostpflaster
„Meine Kuh will auch Spaß haben“ versammelt sämtliche Artikel, die Astrid Lindgren gemeinsam mit der Tierärztin Kristina Forslund in den 80er Jahren in der schwedischen Tageszeitung „Expressen“ veröffentlichte. Darin bezieht sie deutlich Stellung gegen die Massentierhaltung, prangert die furchtbaren Zustände in den riesigen Ställen und den Schlachthöfen an und ruft Politiker zum Handeln auf. Ihr Stil variiert dabei von erzählerischen Einlagen, über schockierende Berichte bis zu ironischen Beiträgen. Über mehrere Jahre blieb sie unermüdlich ihrem Standpunkt treu und ließ sich von Versprechungen und Zurechtweisungen einiger Politiker nicht beeindrucken. Zuletzt gab sie dennoch auf, als die endlich erreichten Gesetzesänderungen (damals häufig auch „Lex Lindgren“ genannt) nur ein Trostpflaster für sie war.
Astrid Lindgren, die für ihre spannenden und meist lustigen Kinderbücher voller starker, wilder, unabhängiger Kinder bekannt ist (z.B. „Pippi Langstrumpf“, „Karlsson vom Dach“, „Michel aus Lönneberga“, „Die Brüder Löwenherz“ oder „Ronja Räubertochter“), zeigt in diesen Artikeln und den kurzen, erklärenden Begleittexten ihre ebenso ausgeprägte ernste Seite. Kristina Forslund, die in einem aktuellen Nachwort die damaligen Erfahrungen noch einmal reflektiert, schreibt dazu:
„Ich bin gefragt worden, für was sich Astrid Lindgren, wäre sie noch am Leben, heute einsetzen würde. Vielleicht hätte sie sich erneut der »Amme der Welt«, der Milchkuh, angenommen, deren Situation sich in den letzten Jahren verschlechtert hat. Aber sie hätte sich auch für die gigantischen Probleme engagiert, die die Welt in der Flüchtlingsfrage hat, und für all die Kinder, denen es schlecht geht. Astrid Lindgren hörte man zu, wenn sie sprach oder schrieb. Die Macht- und Sprachlosen fanden Schutz bei ihr, und ein Jahrzehnt lang durften die Tiere ein Teil von ihnen sein.“ (S. 123)
„Meine Kuh will auch Spaß haben“ ist noch immer aktuell. Astrid Lindgren fände diese Tatsache sicher furchtbar.
Meine Kuh will auch Spaß haben – Ein Plädoyer gegen die Massentierhaltung. Astrid Lindgren & Kristina Forslund. Ins Deutsche übersetzt von Anna-Liese Kornitzky. Verlag Friedrich Oetinger. 2018. Erhältlich in der Buchhandlung eures Vertrauens.
Mehr zu Astrid Lindgren:
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- Rezension: Das Große Astrid Lindgren Liederbuch
- Offizielle Astrid-Lindgren-Website: www.astrid-lindgren.de
- Empfehlung: Astrid Lindgren & Louise Hartung: Ich habe auch gelebt! Briefe einer Freundschaft.
Vielen Dank für diese Buchvorstellung! Über dieses Buch und dieses Engagement von Astrid Lindgren hatte ich bisher noch nichts gewusst… Wieder einmal schließt der BK eine Wissenslücke
Ja, Astrid Lindgren muss eine faszinierende und unglaublich freundliche Person gewesen sein. Falls du noch mehr von der Frau hinter den bunten Kindergeschichten erfahren möchtest und du diese beiden Werke noch nicht kennst, kann ich ihren Briefwechsel mit Lousie Hartung oder auch ihre Rede „Niemals Gewalt“ sehr empfehlen.
Auch ihre Kriegstagebücher „Die Menschheit hat den Verstand verloren“ sind finde ich sehr empfehlenswert, wenn man mehr über Astrid Lindgren erfahren möchte!