Animes, die verzaubern: Dem Studio Ghibli auf der Spur (Teil I)

von | 13.03.2018 | Filme, Filmtheater

Eines der hierzulande bekanntesten Animestudios ist Ghibli. Durch beliebte Filme von Regisseur Hayao Miyazaki oder Isao Takahata ist es berühmt geworden. Aber welche Inspirationen liegen den Filmen zugrunde, welche weiteren Regisseure waren bei Ghibli am Werk und was macht Ghibli so einzigartig? Geschichtenzeichnerin Celina geht diesen Fragen nach.

Die 70er und 80er Jahre

Wenn man sich Animefilme und -serien aus den 70er und 80er Jahren anschaut, ist auffällig, dass die meisten menschlichen Figuren in einem bestimmten Stil gezeichnet sind. Sie haben etwa relativ schlichte – nicht übergroße – Augen und sind nah an realistische Proportionen angelehnt. Miyazaki und Takahata, die schon vor der Gründung von Ghibli bei Animationsserien wie Heidi zusammengearbeitet haben, zeichnen im eben benannten Figurenstil, welcher die Ghibli-Filme prägt. Weiterhin sind Miyazaki und Takahata aus dieser Zeit heraus mit klassischen Animationstechniken vertraut, wobei der Computer kaum genutzt wird. Dies hat Ghibli bis heute bewahrt.

In jener Zeit war zudem Science-Fiction ein wiederkehrendes Thema in Animationsserien und Comics. Daher ist es nicht verwunderlich, dass Miyazakis erster, erfolgreicher Ghibli-Film „Nausicaä – Aus dem Tal der Winde“ davon beeinflusst wurde. In der Arte-Dokumentation „Der Tempel der Tausend Träume“ spricht er davon, dass der Einfluss von Jean Giraud alias Mœbius eindeutig spürbar sei. Mœbius ist ein französischer, renommierter und hoch geschätzter Comickünstler. Besonders sein Comic „Arzach“ hat zur Inspiration von „Nausicaä“ beigetragen. Übrigens war Miyazakis erste Umsetzung von „Nausicaä“ ein Comic, der auf Grund der hohen Nachfrage und der Gründung Ghiblis als Anime produziert wurde. Miyazaki und Mœbius hatten sogar 2005 eine gemeinsame Comicausstellung in Paris.

Meilenstein Nausicaä

In „Nausicaä“ ist die Protagonistin die namensgebende Prinzessin des Tals der Winde. Ihre Geschichte spielt in einer Zukunft, in der ein Meer der Fäulnis existiert, in dem sich riesige Insekten tummeln, und hoch giftige Pflanzen und Sporen die Überhand haben. Viele andere Charaktere sehen diese Fäulnis als Bedrohung und sind der Meinung, diese zerstören zu müssen. Die tier- und pflanzenliebende Nausicaä sieht dies jedoch anders und versteht die ökologische Bedeutung dahinter. Das Meer der Fäulnis ist elementar, da es die – von den Menschen – verpestete Luft aufnimmt und reinigt. Anhand dieses Films sind erste, des Öfteren wiederkehrende Spezifikationen in Miyazakis Animes zu erkennen:

  • Ein Mädchen erlebt ein Abenteuer und erscheint selbstbewusst sowie selbstständig.
  • Der Anime spielt in einer Fantasiewelt und ist bis ins kleinste Detail ausgestaltet.
  • Die Ökologie nimmt einen hohen Stellenwert ein. Es wird an die Zukunft appelliert.
  • Prinzen und Prinzessinnen werden nicht wie bei Disney in Prunk und Reichtum geboren, sondern erscheinen als Figuren, denen ein höherer Stellenwert zukommt und die somit mehr Verantwortung übernehmen müssen.
  • Durch Detailaufnahmen wie Panoramen werden unglaubliche Szenenbilder und Atmosphären erzeugt.
  • Miyazakis Liebe zum Fliegen und zu Flugobjekten wird aufgegriffen.
  • Es gibt nicht das Böse und das Gute, sondern verschiedene Perspektiven, Einstellungen, Werte und Normen.
  • Tiere oder tierähnliche Gestalten sind eingebunden.
  • Das Gefühl, dass ein gewisser Spirit, eine spirituelle Erfahrung, eröffnet wird.
  • Alten Menschen kommt ein hoher Stellenwert zu. Sie werden als weise dargestellt und fungieren häufig als Berater.
  • Ein Neuanfang steht des Öfteren am Ende.

Totoro vs. Glühwürmchen

1988 erschienen zeitgleich bei Ghibli die zwei Animes „Mein Nachbar Totoro“ von Regisseur Miyazaki und seinem Team sowie „Die letzten Glühwürmchen“ vom Team rund um Regisseur Takahata. Miyazaki und Takahata sind beide sehr gute Produzenten und Regisseure, die sich gegenseitig anspornten, indem sie sich in dieser Zeit aneinander maßen. Jedoch sind beide Filme sehr verschieden.

Mein Nachbar Totoro

 

 

Die letzten Glühwürmchen

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Satsuki (8 Jahre) und ihre kleine Schwester Mei ziehen mit ihrem Vater, einem Universitätsprofessor aufs Land. Sie wollen in der Nähe ihrer Mutter bleiben, die sich in einem nahe gelegenen Krankenhaus aufhält, um sich von einer schweren Krankheit zu erholen. Im naheliegenden Wald lernen sie den Waldgeist Totoro kennen. Fantasie und Realität beginnen zu verschmelzen.

Der Film spielt im Jahr 1945, gegen Ende des Zweiten Weltkrieges. Japan steht kurz vor der Kapitulation. Viele Menschen erleiden unter Hungersnöten und Bombenangriffen den Tod. Auch Seita und seine kleine Schwester Setsuko sind davon betroffen.

In den 80er Jahren ist die Auseinandersetzung mit dem Krieg in Animes ein wiederkehrendes Thema. Ein weiteres Beispiel dafür wäre „Barfuß durch Hiroshima“ (Madhouse, 1986)

Die Geschwister erleben eine freie Kindheit mit kaum Grenzen und nichts Bösartigem.

Ein hoher realistischer und sehr emotionaler Bezug zur damaligen Situation ist vorhanden. Nichts für schwache Nerven!

Totoro: Steht für Freiheit und die Kreativität von Kindern

Glühwürmchen: Ein Hoffnungsschimmer, wo keine  mehr ist

Frei und unabhängig

Ernst und herzzerreißend

Anime-Räume: blühende Landschaften, das Krankenzimmer der Mutter

Anime-Räume: ein vom Krieg zerstörtes Land und Erinnerungsräume, in denen die Verstorbenen sichtbar werden

Ab 0 Jahren.

Laut FSK kann der Film ab 6 Jahren geschaut werden, was viel zu gering eingeschätzt ist. Der Anime ist ab 12 Jahren zu empfehlen.

„Das 21. Jahrhundert ist ein hartes Zeitalter“

Diese Einstellung wird von Miyazaki in „Prinzessin Mononoke“ (2001) wieder aufgegriffen und ist im Gegensatz zu „Mein Nachbar Totoro“ oder „Kikis kleiner Lieferservice“ (1989) wieder an etwas ältere Kinder/Jugendliche gerichtet.

Der Film beginnt mit Prinz Ashitaka, der sein Dorf von einem abnorm großen Keiler, der sich in einen Dämon verwandelt hat, befreit. Dabei wird er am Arm schwer verletzt und von einer Krankheit befallen, die sich von da an durch seinen ganzen Körper frisst. Um sein Schicksal möglichst abzuwenden, zieht er los zur Eisenhütte, welche von der Herrin Eboshi regiert wird. Dort wurde die eiserne Kugel, die im Körper des Keilers steckt und ihn in Raserei versetzt, hergestellt. Im nahegelegenen Wald der Eisenhütte lebt San, alias Prinzessin Mononoke, die von der Wölfsgöttin Moro aufgezogen wurde. Sie lebt mit dieser und zwei weiteren Wolfsgeschwistern in einem Rudel. Mononoke will Eboshi umbringen, da diese in ihren Augen eine Gefahr für die Natur darstellt. In diesen Konflikt zwischen Mononoke und Eboshi gerät Ashitaka. Weiterhin leben im Wald Waldgeister und ein Waldgott, dem Eboshi den Kopf abschlagen will.

Besonders werden hier Thematiken wie die Sichtweise der jungen Generation, der Zusammenhang zwischen Mensch und Natur, der üble Dämon Hass in jedem von uns und gesellschaftliche Partizipation oder Diskriminierung aufgegriffen. Miyazaki hat noch bei vielen weiteren bemerkenswerten Meisterwerken, wie etwa „Das Schloss im Himmel“ (1986), „Chihiros Reise ins Zauberland“ (2001) und „Das wandelnde Schloss“ (2004) Regie geführt.

Im weiterführenden Artikel, der am 20. März erscheint, werden – in Anbetracht der Menge dieses unglaublichen Schaffensvermögens – die Werke einiger weiterer Regisseure des Ghibli Studios fokussiert.

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