Der Geisteswissenschaftler arbeitet handelsüblich mit Definitionen. Doch wie definiert man eigentlich Undefinierbares wie „Literatur“ oder „Glaube“ oder gar „Genozid“?
„Genozid“ ist ein Kunstwort, das sich aus dem griechischen „genós“ und dem lateinischen „caedere“ zusammensetzt, erstellt durch den Rechtsanwalt Rafael Lemkin in seiner Doktorarbeit. Wo soll man hier für eine Definition anknüpfen?
Tatsächlich ist selbst „Genozid“ ein Begriff, über dessen genaue Kriterien die Genozidforschung seit den neunziger Jahren streitet. Es gibt eine Strömung, die sich stark an der von den Vereinten Nationen verabschiedeten Völkermord-Konvention orientiert. Dabei gilt jedoch stets im Hinterkopf zu behalten, dass die UN-Konvention auf Grundlage von Kompromissen der unterschreibenden Parteien geschlossen wurde. Auf der anderen Seite finden sich divergierende Gruppierungen, die etwa neue Begrifflichkeiten zu finden versuchen, um einzelne Völkermordereignisse voneinander zu unterscheiden. So steht ein „Demozid“ einem „Ethnozid“ und einem „Polizid“ gegenüber. Dabei sieht man sich jedoch vor ein Problem gestellt: Wie will man in diesem Pool aus Differenzierungen zu einem gemeinsamen Nenner kommen?
„Afrika“ ist vielleicht kein Kunstwort – der Begriff bezeichnet seit Jahrhunderten einen der Kontinente – wirft aber im Zusammenhang mit der geisteswissenschaftlichen Forschung ein ähnliches Problem der Undefinierbarkeit auf. Wie lässt sich „African Literature“ eingrenzen?
„African literature is a form of artistic creation produced in the medium of any natural language (written, spoken, or enchanted) by an artist or group of artists with substantial enough experiences of the landscape of the continental landmass of Africa and its associated islands, along with diasporic exportations of the cultures of this continental landmass.” (Adams Bodomo)
Diese Arbeitsdefinition spricht verschiedene Problematiken an, die zu einem großen Teil auch mit dem Identitätsverständnis der Bewohner des Kontinents zusammenhängt. Gilt ein Emigrant in den Niederlanden noch als Afrikaner und das, was er schreibt, als afrikanische Literatur? Gehören Weiße dazu, oder sollten sie ausgeschlossen werden? Ist ein in einer Sprache wie Französisch oder Englisch abgefasster Text genauso Teil der Afrikanischen Literatur wie einer auf Zulu? Zu diesem großen Definitionsproblem tritt noch die Frage nach der Literatur: die ewige Debatte rund um den Miteinbezug und die Ausnahme aus der Definition rund ums Geschriebene. Wie bei der Suche nach einer Definition für „Genozid“ steht man vor einem Meer an Differenzierungen.
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