16. Türchen

von | 16.12.2014 | #litkalender, Kreativlabor

Meine treueste Seele
von Christina Pretis

Und wieder beginnt die erdrückendste und schrecklichste Zeit im Jahr. Pfah… man sehe sich nur einmal um, die ganze sinnlose Deko, welche Unmengen an Geld verschlingt wie ein gieriges, hungriges Monster. Dennoch vermittelt gerade diese Deko einigen Träumern eine heile Welt, voller Romantik, Liebe und Frieden. Niemand öffnet die Augen und sieht die nackte Wahrheit. Die Macht der Verdrängung ist anscheinend zu groß und lässt alle in einem Traum leben, in Watte eingepackt und alles andere als real!

„Die besinnlichste Zeit im Jahr voller Vergebung und Nächstenliebe!“ – „ Wir müssen uns vertragen! Es ist doch Weihnachten!“ … VONWEGEN!

Wenn ich mich umsehe, sehe ich nur gezwungene Freundlichkeit, Stress, unterdrückten Ärger, Angst und Betrug. Jeder stresst, um seine Geschenke rechtzeitig zu besorgen, die dann entweder sowieso umgetauscht werden oder im Müll landen… bei den meisten zumindest. Auch die alten Wunden reißen um diese Jahreszeit wieder besonders weit auf und sind anfällig für alles.

Der ganze Schmerz, die ganze Wut der vergangenen 365 Tage, drängt nach außen, versucht sich durch die Menschen nach außen zu fressen, wie ein kleiner Dämon, der nur den richtigen Zeitpunkt abwartet bis er zuschlägt. Dieser innere Druck, dem alle ausgesetzt sind, ist beinahe nicht auszuhalten und dennoch bemüht sich niemand darum, seine Seele zu heilen, zu verarbeiten was war. Niemand will sein imaginäres Fake-Winterwunderland aufgeben. Ist doch auch verständlich irgendwie. Warum sich mit der Realität auseinandersetzten, wenn sich doch alle „lieben“ und alles OK ist?

Da kann man nur hoffen, dass nicht einer kommt und den falschen Satz zum falschen Zeitpunkt sagt, der Satz, der dann unaufhaltsam und mit unkontrollierbarer Wucht eine heftige Explosion an Gefühlen auslöst. Ein Inferno, das alles in seinem Umfeld mit sich reißt, bis nur noch die verdrängt geglaubten Gefühle übrig bleiben. Keine Romantik, keine Liebe, kein frohes Fest mehr… nichts!

Da stellt sich doch die Frage: Was ist passiert? Was lief falsch? Viele haben den Sinn dieses Fests, aber auch den des Lebens vergessen. Warum soll denn ein einziger Tag im Kalender etwas ändern? Wer unterm Jahr keine Nächstenliebe zeigt, nicht lieben kann und sich nicht an den kleinen Dingen erfreuen kann, soll das dann genau an diesem Datum können? Ja!? Realitätsferner geht es nicht mehr.

Die Menschen ändern sich nicht. Selbst die sowieso schon gespielte Nächstenliebe wird ausgenutzt und Spendengelder werden untergraben. Die Menschen, denen es wirklich an Hilfe bedürfte, bekommen keinen Cent zu sehen. Alles nur Fassade und Blenderei. Danke einfach! Ja danke an alle, die es „gut“ meinen und doch nicht wirklich helfen. Eine warme Jacke ist oft mehr wert als Geld… und ich weiß, wovon ich rede!

Jedes Jahr um diese Zeit wird mir schmerzlich bewusst, dass die wirkliche Liebe zum Leben und zu seinen Mitmenschen kaum mehr existiert. Sie ist nur noch ein kleiner verglühender Punkt am unendlichen Himmel des Egoismus und des Materialismus. Doch sie existiert noch, dessen bin ich mir bewusst. Meine treueste Seele zeigt mir diese bedingungslose Liebe jeden Tag, den er an meiner Seite verbringt. Ohne ihn wäre mein Leben nur halb so lebenswert. Man braucht doch nicht viel, damit es sich lohnt zu leben. Das Leben kann so schön sein, wenn man nur die Augen öffnet.

So eine feuchte Schnauze an meiner Hand zu spüren unter der alten zerfetzten Decke, die uns am Leben hält, uns vor dem Erfrieren bewahrt, genügt doch um zu wissen, dass man nicht alleine ist. Dass es noch eine Liebe gibt, die nicht fordert, die keine Geschenke braucht und keine falsche Freundlichkeit, um wahr und rein zu sein. Das ist Weihnacht, nur weiß das die egoistische Welt von heute nicht mehr. Unser Umfeld ist erblindet für die wirklich wichtigen Sachen im Leben. Der kleine Funke existiert hoffentlich noch lange genug, bis diese grausame Welt aus ihrem Winterschlaf erwacht und endlich die Augen öffnet.

Bis es jedoch soweit ist, können wir nur hier auf der Straße warten und überleben und uns auf die Gutmütigkeit einiger weniger verlassen, die unser Leben in der Hand haben in dieser furchtbar nassen und kalten Welt.

Diese Weihnacht war besonders verschneit und kalt. Die Decke des Bettlers und seines treuen Hundes reichte nicht mehr aus, um ihre Körper warm genug zu halten. Sie erfroren. Ein ruhiger Tod, ganz sanft, sie schliefen einfach ein und starben, doch ihre Hoffnung blieb und so sollten auch wir unsere Gedanken dem zuwenden, was wirklich wichtig ist!

Weitere Geschichten unter: www.fanfiktion.de/u/MissHyde13

Bild: Lara

Bücherstadt Magazin

Bücherstadt Magazin

Das Bücherstadt Magazin wird herausgegeben vom gemeinnützigen Verein Bücherstadt. Unter dem Motto "Literatur für alle!" setzt sich die Redaktion mit der Vielfalt der Literatur im Sinne des erweiterten Literaturbegriffs in verschiedenen medialen Aufbereitungen auseinander.

3 Kommentare

  1. Avatar

    So negativ sehe ich dies aber nicht. Nicht in meinem Umfeld zumindest.

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  2. Avatar

    Leider erleben viele Menschen die Welt genau so. Ich glaube nicht, dass es keine Nächstenliebe gibt, aber es gibt nicht genug davon. Das ist allerdings nichts neues. Ich glaube manchmal, dass es früher noch schlimmer war. Jedenfalls wäre Jesus nicht in einem Stall geboren worden, wenn die Menschen damals einander geholfen hätten. Genaugenommen hätte er gar nicht zur Welt kommen müssen, wenn die Nächstenliebe damals selbstverständlich gewesen wäre.

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  3. Avatar

    Glückwunsch dazu, einfach mal die Meinung zu sagen, auch wenn es sicher nicht jedermanns Meinung sein wird. Einige möchten die Augen verschließen und wiederum andere leben tatsächlich eine andere Realität.

    Weihnachten ist, was jeder für sich daraus macht.

    Allerdings denken viel zu wenige Menschen nach. (nicht nur über Weihnachten, sondern generell – was ja genau der springende Punkt ist, wie du schon erwähnt hast)
    Sie lassen sich lieber berieseln, blenden und lenken. Ist auch viel bequemer, als den eigenen Kopf anzustrengen.
    Aber, es sind nicht alle so. Auch das hast du (zum Glück) noch einmal hervorgehoben.

    Vielen Dank, für diese etwas andere Weihnachtsepisode.

    magico

    (Wenn auch nicht ganz so drastisch, passt mein aktueller Blog-Eintrag genau zu diesem Thema.)

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