„Wir sind nicht die Welt. Die Welt sind die Dinge da draußen.“

von | 18.11.2014 | Auditorium, Hörbücher

Liebe, Leben, Glück und ganz viele Gedanken – darum geht es in Heinz Helles Roman „Der beruhigende Klang von explodierendem Kerosin“. Im September dieses Jahres wurde das Buch für den Schweizer Buchpreis nominiert, und auch wenn es nicht gewonnen hat, ist es lesens- und hörenswert. – Von Zeichensetzerin Alexa

Selten habe ich ein Hörbuch gehört, bei dem der Erzählstil so passend zum Titel gewählt ist wie bei „Der beruhigende Klang von explodierendem Kerosin“. Gelesen wird das Buch von Franz Dinda, der nicht nur Schauspieler ist, sondern auch Musiker, Künstler und Autor. Mit seiner Stimme verleiht er dem Buch eine Atmosphäre von Einsamkeit und Ruhe, ein „beruhigender Klang“, dem man gerne lauscht. Die Ruhe, die durch längere Erzählpausen und angemessene Stimmlage erzeugt wird, steht dabei im Kontrast zu der Gedankenwelt des Protagonisten. Es ist, als würden seine Gedanken die Übermacht ergreifen, ihn beeinflussen, ihn lähmen – wie Explosionen, die er nicht verhindern kann.

Der Ich-Erzähler studiert Philosophie in New York, scheint anfangs glücklich verliebt zu sein. Doch seine Überlegungen und sein Wissen über das Bewusstsein kollidieren mit seinen Empfindungen. Er hinterfragt seine Emotionen, beginnt, sie wissenschaftlich zu begründen und verliert die Lust daran, sie auszuleben. Liebe ist nur ein Mittel zur Fortpflanzung, überlegt er, Liebe ist nur eine Illusion.

Beeindruckend wird seine Gedankenwelt geschildert: wild durcheinander, plötzlich, unpassend, ausschweifend. Er denkt an viele Dinge, die nichts mit der Situation zu tun haben, versucht, sie bewusst auszuschalten, kann es jedoch nicht. Ununterbrochen denkt er. Dem Zuhörer wird dabei ein hohes Maß an Empathie abverlangt, allein schon, weil er immer wieder in neue Gedankengänge geworfen wird. Gerade deshalb sind die eingebauten Lesepausen und die angenehme Lesegeschwindigkeit hilfreich.

Auffallend ist außerdem der Schreibstil: Oft wiederholen sich Personalpronomen (z.B.: er, sie, es) am Anfang aufeinanderfolgender Sätze. Diese klingen von poetisch-philosophisch bis sachlich-neutral. Inhaltlich werden einem interessante Theorien und Erkenntnisse geboten: Darüber, dass wir uns meist selbst im Wege stehen durch das, was wir denken. Unsere Gedanken erschaffen Grenzen, die wir nicht im Stande sind zu überwinden. Selbst wenn wir versuchen, die Gedanken auszublenden, einfach nur an die Wand zu starren und an nichts zu denken, kommen uns Gedanken, wie es denn möglich wäre, sie auszuschalten oder wie lange man sie wohl unterdrücken könnte… Gedanken über Gedanken über Gedanken. Ein Teufelskreislauf.

Wir sind uns vielem bewusst – unser Bewusstsein unterscheidet uns von Tieren. Unser Erinnerungsvermögen hilft uns, aus unseren Fehlern zu lernen, uns weiterzuentwickeln. Eine Fliege wird das Knallen an die Fensterscheibe bald vergessen und im nächsten Moment wieder dagegen fliegen. Wir merken uns, wenn wir fallen, und machen es beim nächsten Mal anders. Oder wir ignorieren, verdrängen es, lernen nicht daraus und machen die Fehler erneut, obwohl wir sie verhindern könnten.

„Der beruhigende Klang von explodierendem Kerosin“ ist ein großartiges Hörbuch, grandios umgesetzt von Franz Dinda. Sehr empfehlenswert!

Der beruhigende Klang von explodierendem Kerosin. Heinz Helle. Sprecher: Franz Dinda. Hörbuch Hamburg. 2014.

 

Bücherstadt Magazin

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