„Wenn Worte meine Sprache wären“ *

von | 20.02.2018 | #philosophiestadt, Kreativlabor, Specials

„Es ist schon alles gesagt, nur noch nicht von allen.“ Diese Aussage Karl Valentins regt Verseflüsterin Silvia dazu an, sich Gedanken zum täglichen Sprachgebrauch zu machen. Oder auch: Die Tätigkeit des Schreibens zwischen Originalität und Copy-Paste-Verfahren.

Ich schreibe, also bin ich? Bitte nicht. Abgedroschenheit und Klischees sind – so habe ich festgestellt – äußerst ineffizient, will man jemandem die eigene Beziehung zu einer Person, einem Objekt, einer Tätigkeit beschreiben. Mit Formulierungen wie „lässt mein Herz höher schlagen“ oder „zaubert mir ein Lächeln ins Gesicht“ tut man sich selbst keinen Gefallen. Aber wie viel Originalität ist noch möglich? Wie schafft man es, kreativ genug zu sein, um „eigene“ Worte und Formulierungen zu benutzen? Und gibt es so etwas überhaupt (noch)?

In diesen Bereich fällt unter anderem auch das Zitieren, das meiner Meinung nach viel zu exzessiv und unbedacht betrieben wird. Zu jedem x-beliebigen Thema findet man Aussagen irgendeines berühmten oder weniger berühmten Menschen. Diese trifft man als Zitate in einer endlosen und unbegrenzten Liste an Verwendungszwecken an jeder Straßenecke – viele so oft, dass ich sie mittlerweile nicht mehr hören kann. Dazu kommt noch: Oft genug sind sie unvollständig, falsch übersetzt oder nicht besonders originell abgeändert; in einigen Fällen ist sogar – zumindest unter einem Großteil der Rezipienten – der angebliche Urheber nicht richtig überliefert.

Aber andererseits denke ich mir: Was ist falsch daran, auf die Worte eines anderen zurückzugreifen, wenn man selbst keine (passenden) parat hat? Ist es nicht erstaunlich, wie manche Aussagen eine Sache so dermaßen gut und genau auf den Punkt bringen, dass es fast schon unmöglich scheint?

Das Problem ist, dass es tatsächlich immer schwieriger wird, einen eigenen Beitrag zu leisten. Das lässt sich mit der simplen Erklärung begründen, dass es immer mehr Menschen gibt. Das ist nun einmal so; dagegen können wir nichts tun. Also müssen wir uns wohl damit abfinden.

Würde man die Regel „Wenn du nichts Originelles zu sagen hast, dann schweige“ einführen, wäre es sehr viel stiller auf der Welt. Auch wenn mir das teilweise als durchaus sinnvolle und angenehme Vorstellung erscheint, meldet sich doch mein Gerechtigkeitssinn zu Wort: Es wäre unfair, in diesem Punkt von allen Menschen das gleiche zu fordern.

Sehr wohl kann man hingegen eine gewisse Originalität von „Schreiberlingen“ erwarten – oder man sollte es zumindest können: Oft genug fragt man sich als Leser, wie der Autor eines bestimmten Textes jemals auf die Idee gekommen ist zu schreiben. Was an dieser Stelle nach Überheblichkeit und Arroganz klingen mag, ist vielmehr Ausdruck der Tatsache, dass wir Schreibenden es schwer genug haben; jeder dritte geht heute dieser Tätigkeit nach. Für meinen Geschmack finden sich darunter zu viele „Kopier-Zitier-Klischee“-Schreibende. Ist es wirklich das, worum es beim Schreiben geht? Ist es das, was man als „Schreibkunst“ bezeichnen kann?

Ja, ich habe hohe Ansprüche. Man könnte auch sagen: Ich weiß einfach, was ich will und was nicht. Ich verlange von niemandem, ein zweiter Shakespeare oder Goethe zu sein. Aber ich lese und unterstütze nur das, was ich für gut erachte. Man kann mich durchaus mit einem gut eingesetzten und am besten noch nicht nachgeschlagenen Zitat beeindrucken. Der Rest hingegen sollte von einem selbst kommen. Authentizität statt Nachahmung. Es geht nicht darum, „große Reden zu schwingen“. Einfachheit statt Pathos. Alles zu seiner Zeit.

* Dies ist der Titel eines Albums und Songs des deutschen Musikers Tim Bendzko. Diese Worte hat sich Verseflüsterin Silvia mit voller Absicht ausgeborgt (siehe obiger Text).

Ein Beitrag zum Special #philosophiestadt. Hier findet ihr alle Beiträge.
Bild: pexels.com
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