In seinem jüngsten Roman „Selbstporträt mit Flusspferd“ schreibt Arno Geiger über viele erste Dinge. Am 9. April hat der österreichische Autor in Innsbruck daraus vorgelesen – was er außerdem erzählt hat, verrät uns Verseflüsterin Silvia.
„Da haben wir aber großes Glück, einen so wichtigen Autor hier bei uns zu haben“, meint die Dame vor mir mit großer Genugtuung.
„Da haben Sie wohl recht“, stimmt ihr ein älterer Herr zu und beginnt zu schwärmen: „Er ist ein so feiner Mensch… eine wunderbare Sprache, die nicht kalt lässt… ein großer Erzähler… Ich hab‘ vorhin schon einen kurzen Blick auf ihn erhascht; er sitzt dort drüben am Fenster…“
Gleich zu Beginn hält der mit mehrfachen Preisen ausgezeichnete Autor fest, dass es für ihn immer einen emotionalen Grund braucht, um ein Buch zu schreiben, etwas, „das ihn an der Gurgel packt“. Im Falle seines jüngsten Romans ist dies die in Innsbruck spielende Geschichte eines guten Freundes, deren Arno Geiger sich annahm, als dieser Freund eine tödliche Diagnose erhielt.
Im Buch, das im Jahr 2004 spielt, geht es ums Erwachsen-Werden, ein „verunsicherndes Alter in einer verunsichernden Welt, die nur Fragen, aber keine Antworten bietet“. Arno Geiger vergleicht dies mit seiner eigenen Zeit als jungem Erwachsenen – kurz nach dem Mauerfall – und stellt fest, dass man im Gegensatz zu damals heute nicht mehr eine Welt sehen könne, „die besser werde“. Daher ist sein Protagonist zwar neugierig und will alles verstehen, er ist jedoch auch unsicher und geht vorsichtig vor. Der Autor beschreibt ihn als „Parzival-Typ“, der „als reiner Tor in die Welt tritt“. Es brauche viel Mut, um zuzugeben, dass man die Welt nicht verstehe. Doch genau diese Unsicherheit, dieses Nicht-Wissen-Was sei das Spannende am jungen Erwachsenenalter.
„Selbstporträt mit Flusspferd“ ist nicht wie so viele andere ein Buch über die erste Liebe, sondern eines über die erste Trennung. Es geht in diesem Roman um viele erste Dinge (im Gegensatz zu „Der alte König in seinem Exil“, wo es um letzte Dinge geht), darum, möglichst viele Erfahrungen zu machen, weil „jedes Lebensalter primär dazu da ist, um gelebt zu werden“. Laut Arno Geiger würden Zielstrebigkeit und Dynamik viel zu weit überschätzt werden; ein junger Mensch solle nicht Entscheidungen treffen und seinen Lebensweg planen müssen.
Auch das Zwergflusspferd hat laut Arno Geiger ein problematisches Verhältnis zur Welt: Es kann nicht – wie das meiste andere auch – ökonomisiert werden und ist daher „zu nichts zu gebrauchen“. Und auch in der ästhetisierten Welt ist es fehl am Platz.
Nach der Lesung erzählt Arno Geiger noch von seiner Feldstudie zu Zwergflusspferden und der sich schwierig gestaltenden Suche nach einem zur Kooperation bereiten Zoo, da er das Tier nicht nur betrachten, sondern „wirklich mit ihm zu tun haben“ wollte. Er berichtet, dass aus dem Gespräch mit dem Pfleger des Tieres hervorgegangen sei, dass kaum jemand mehr als ein paar Sekunden in die Betrachtung dieses Tieres investiere, was aber sehr schade sei – an dieser Stelle erzählt der Autor von seinen eigenen wundersamen Beobachtungen, als er eine Stunde lang am Gehege des Zwergflusspferdes gestanden habe. Und er stellt fest: „So sollte man in den Zoo gehen, immer nur zu einem Tier.“
All dies, die freundliche, ungezwungene Art, die angenehme Vorlese-Stimme, die immer wieder zum Schmunzeln oder Lachen anregenden Stellen aus dem Buch und auch die paar beim Signieren gewechselten Zeilen, machen Arno Geiger tatsächlich zu einem „feinen“ Menschen.
An einer Stelle in seinem Buch schreibt er: „So müsste man auch schreiben können, einfach und unpoliert. Ich kenne niemanden, der das professionell beherrscht.“ Wenn er sich da nur nicht irrt…
Foto © Heribert Corn
Schöne Buchempfehlung, das steht nun auf meiner Wunschliste 🙂
Super, das freut mich. Du wirst es nicht bereuen! 🙂