„Mit dem Lernen soll man rechtzeitig beginnen und nicht erst dann, wenn einem das Wasser ohnehin schon bis zum Hals steht.“ Aufgrund dieser Worte warf Dimitrij doch noch einen Blick in das neue Buch: „Vor 4 Jahren war Paula doppelt so alt wie Jan. In 4 Jahren wird Jan ¾ so alt sein wie Paula. Wie alt ist Paula jetzt?“
Und schon lag das Buch wieder an seinem Platz. Geschlossen. Dimitrij hingegen lag mit geschlossenen Augen draußen im Garten auf einer Liege. Bei schönstem Sonnenschein.
Nach einer Weile begann es aber zu tröpfeln, weshalb Dimitrij einen spontanen Ortswechsel vornahm. Er lag noch immer mit geschlossenen Augen da, nun aber im Haus, auf dem schönen, bequemen Diwan im Wohnzimmer.
Draußen im Garten bildeten sich bereits die ersten Pfützen. Der Wind rüttelte an Bäumen und Sträuchern und säuselte dabei: „Vor 4 Jahren war Paula doppelt so alt…“ Dimitrij wollte sich die Ohren zuhalten, doch schon drangen die Wassermassen durch die geborstene Vordertüre. Schreiend stürmte er die Treppe hoch, bis hinauf aufs Dach.
Da stand er nun, allein im Regen, und weit und breit war niemand mehr zu sehen. Weder Papa noch Mama, noch die kleine Schreihals-Baby-Schwester. Nur ein tschechischer Maulwurf paddelte in einem Adlernest vorbei. Drunten im Dorf stand das Wasser schon auf Höhe des Kirchturms! Und jeder Blitz wollte donnernd wissen: „Wie alt ist Paula jetzt? Wie alt ist Paula jetzt?“
„Ja, ja, ich weiß!“, schrie Dimitrij da zum Himmel empor. „Paula ist jetzt zwölf Jahre alt und Jan ist acht! Vor vier Jahren war sie acht und er vier. Und in vier Jahren wird sie sechzehn und er zwölf sein!“
Da krachte es noch einmal gewaltig, als Häuser, Kirchturm und rostiger Klappstuhl in sich zusammenfielen. Die herbeieilende Mutter ignorierend stapfte Dimitrij zurück ins Haus, zum Tisch, zum Mathe-Ferienheft. Und nachdem er seine Lösung kontrolliert hatte, stapfte Dimitrij, Mathe-Ferienheft im Arm, zurück in den Garten. Um den kaputten Klappstuhl machte er dabei einen großen Bogen.
Auf einer gänzlich rostfreien Sitzgelegenheit ließ er sich schließlich nieder, um in Rekordzeit das verhasste Buch durchzuackern. Denn Dimitrij wollte nicht noch einen weiteren Sommernachmittagstraum an einen mathematischen Geistesblitz verschwenden!
Stadtbesucherin Christine Prinz
Ein Beitrag zum Projekt 100 Bilder – 100 Geschichten – Bild Nr. 22.
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