Sich einen Namen machen – mit allen Mitteln!

von | 25.05.2015 | Buchpranger, Graphic Novels, Comics, Manga

Fast so groß und schwer wie ein Block Marmor ist sie: Scott McClouds erste Graphic Novel. Die knapp 500 Seiten sprengen nicht nur den Umfang, den man sonst von Comics gewohnt ist, sondern erzählen auch meisterhaft eine moderne Fabel über Kunst, Erfolg und Liebe. – Von Buchstaplerin Maike

New York: David Smith ist ein junger Bildhauer, der seine fünfzehn Minuten Ruhm hinter sich hat. Ohne Inspiration und neue Skulpturen drückt ihn sein großer Traum umso stärker nieder: Sich einen Namen in der Kunstwelt machen. Die Wende kommt erst, als der talentierte Mann mit dem Allerweltsnamen einen Pakt mit dem Tod abschließt. Er wird nur mit seinen Händen als Werkzeuge alles formen und erschaffen können, was er will. Im Gegenzug hat er jedoch nur noch 200 Tage zu leben. Eine leichte Entscheidung, wenn man vor dem Abgrund steht. Doch selbst mit seinen neuen Kräften bleibt der Erfolg aus, und David muss sich fragen, was er wirklich will. Denn als er sich in die labile Meg verliebt, wird ihm klar, dass es im Leben mehr gibt als Kunst und Erfolg. Aber Davids Zeit läuft ab…

„Was würdest du geben für deine Kunst, David?“ – „Ich würde mein Leben geben.“

Bei einer Graphic Novel ist es nicht nur die Geschichte, die die Lesenden fesseln muss, sondern auch die Bilder. Die Zeichnungen halten sich farblich sehr zurück und unterstreichen die Geschichte genau richtig: Mal reduziert, mal voller Details bilden die schwarz-blau-weißen Illustrationen die Atmosphäre perfekt ab. Die Geschichte fließt ohne zu stocken und changiert von hell nach dunkel, um Davids Stimmung zu spiegeln. Und McCloud versteht es, mit und in den Panels die Geschichte zu erzählen, mal langsam und mal voller Assoziationen. Für mich beim Lesen der vielleicht erstaunlichste Moment war die Abbildung des Unaussprechlichen – eine weiße Seite, so einfach, so genial.

Die Geschichte selbst ist ein solide konstruiertes modernes Märchen, wie eine lineare Skulptur, an der man immer neue Details entdeckt. Doch McClouds Stärke des Geschichtenerzählens ist auch seine Schwäche: Davids 200 Tage folgen einem Muster, das trotz einiger origineller Ideen teilweise vorhersehbar wirkt. Doch ohne Frage geht das Konzept auf. Die Spannung baut sich immer weiter auf, während die Zeit abläuft und David mit inneren und äußeren Konflikten zu kämpfen hat.

Insgesamt ist „Der Bildhauer“ ein bittersüßer Kommentar auf die moderne (Kunst-)Welt. Wie kann man sich einen Namen machen und erfolgreich sein, ohne die eigenen Ideale zu verraten? Und was ist Ruhm letzten Endes? Für mich ist die erste große Graphic Novel von Scott McCloud, der vor allem für seine Sachbücher zum Comic-Genre bekannt ist, eine kurzweilige Überlegung zu Kunst und Identität – und nicht nur für Comic-Fans einen Blick wert.

Der Bildhauer. Scott McCloud. Übersetzung: Jan-Frederik Bandel. Carlsen. 2015.

 

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