Poesie als innere Musik

von | 21.05.2015 | Belletristik, Buchpranger

Trostarie

nach dem Ende wird die Straße
sich in einer Wendung drehn
vor dem Ende das Geweinte
aus den Höhlen auferstehn

vor dem Ende brechen Flechten
aus dem Kinderpflasterstein
werden Weine vor dem Ende
Wasser in der Wüste sein?
[…]

Wie Musik erklingt die Poesie in uns, sofern sie uns berührt. Nicht jedes Gedicht vermag Gefühle auszulösen, Bilder hervorzurufen und Sehnsüchte zu wecken. „Es gilt, die Dichtung wieder mit dem magischen Moment des Aufbruchs zu verbinden“, so Autor dieses Werkes Tom Schulz. Es ginge dabei um „Dichtung voll verrücktem Pathos und einer Unbedingtheit, Wildheit, Zärtlichkeit“.

Innere Musik? Wie schafft man es, Worte in musikalischen Klang zu verwandeln? Schulz versucht es mit Rhythmik und gleichbleibendem Stil: Die meisten Verse bestehen aus 3-4 Zeilen, auf Satzzeichen achtet der Autor nicht, das „und“ wird schlicht durch ein „&“ ersetzt. Auch wenn so etwas wie Rhythmik zu spüren ist, spielen Silben und Reime eine geringere Rolle. Vielmehr wird Wert auf den Ausdruck von Gefühlen und Eindrücken gelegt. Thematisch hält der Autor sich an den Alltag: So finden die Tagesmutter, die Schwestern, die Alleinstehenden, Freundinnen, Brüder, Großmütter, Männer, Frauen und Dinge aus Natur und Gesellschaft ihren Platz in einem knapp 86-seitigen Büchlein.
An den Schreibstil des Autors gewöhnt man sich schnell, bleibt er diesem doch bis zum Schluss treu. Dies erweckt den Eindruck der Wiederholung; Wiederholung in unserer Sprache, im Alltag, im Leben. Dinge, die uns täglich beschäftigen, werden in Poesie umgewandelt. Doch reicht es, um die in uns tief schlummernde Musik zu wecken?

Der Autor Tom Schulz ist Dozent für Kreatives Schreiben und Lyrikworkshops in Augsburg. Umso mehr wundert mich der leicht einseitige Stil dieser Texte, hat Kreativität für mich doch etwas Experimentelles an sich, das Grenzen durchbricht und Neues wagt. Man mag es als Kunst verstehen oder nicht – was ästhetisch ist, entscheidet schließlich jeder für sich selbst. Und deshalb wird es zukünftig keine Laternenbewertungen mehr von mir im Bereich Lyrik geben.

Alexa

Innere Musik, Tom Schulz, Berlin Verlag, 2012

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