Pardon, Monsieur, ist dieser Hund blind?

von | 25.03.2014 | Belletristik, Buchpranger

„Pardon, Monsieur, ist dieser Hund blind?“, im französischen Original „Mamie mémoire“, wurde 2000 mit dem Prix Chronos, 2001 mit dem Prix des Incorruptibles ausgezeichnet und 2006 als Theaterstück adaptiert.

Cover © Urachhaus

„Wenn ich mich recht erinnere, war es ein Brand, der die Ereignisse beschleunigt hat…“ Mit diesem ersten Satz beginnt die dreizehn-jährige Véro ihre Erzählung über das Leben mir Omama Bénédicte Lavielle. Der Brand in Omamas Haus verändert das ganze Leben von Véros Familie, denn sie müssen sich eingestehen, dass Oma dringend in Behandlung sollte. Sie wird vergesslich. Omama zieht in das Haus ihrer Tochter ein und Véro, ihre Enkelin, muss ihr Zimmer räumen. Zuerst enttäuscht darüber, gewöhnt sie sich doch schnell an die neuen Umstände. Doch Omamas Zustand verschlechtert sich immer mehr. Der Arzt redet von der Alzheimerkrankheit. Sie räumt nachts die Schränke aus, Besteck und Toilettenpapier hortet sie unter dem Bett, sie telefoniert stundenlang ins Ausland und möchte unbedingt auf dem Schwarzmarkt einkaufen, denn für sie ist immer noch Krieg. Doch die Familie lässt sich nicht erschüttern und stehen Omama trotz aller skurriler Aktivitäten zur Seite und beschäftigen sich mit ihr – und lernen sie dadurch auf eine ganz neue Weise kennen, bekommen plötzlich einen Einblick in das vergangene aufregende Leben der Bénédicte Lavielle.

„Pardon, Monsieur, ist dieser Hund blind?“, im französischen Original „Mamie mémoire“, wurde 2000 mit dem Prix Chronos, 2001 mit dem Prix des Incorruptibles ausgezeichnet und 2006 als Theaterstück adaptiert. Das erfolgreiche Buch gehört inzwischen sogar zur Pflichtlektüre in den französischen Collèges. Hervé Jaouen befasst sich in seinem Jugendroman auf äußerst einfühlsame und liebevolle Weise mit der an sich so schweren Thematik der Alzheimerkrankheit. Er schafft es, das Thema leicht zu verpacken, was unter anderem auch an dem begeisternden und herzlich-ironischen Humor der Erzählerin Véro liegt, die man sofort liebgewinnt. Schnörkellos, ohne zu viel Sentimentalität, berichtet sie aus dem plötzlich sehr turbulenten Familienleben – und das auf eine solch erfrischende und auch sehr humorvolle Art und Weise, dass man trotz der Ernsthaftigkeit immer wieder schmunzeln muss.

Und genau dies macht das Buch zu etwas Besonderem! Denn trotz allem macht man sich als Leser seine Gedanken zur Krankheit selbst, zu den Folgen und man wird sehr sensibel für die Thematik. Diese liebevolle Geschichte, die der Omama Bénédicte gewidmet wurde, geht dem Leser ans Herz und berührt – das ist sicher. Aber sie legt sich nicht so schwer auf das Herz, wie es manch andere Geschichten dieser Art tun. Und so können sich auch schon junge Leser etwas befreiter und leichter mit dem Thema Alzheimer beschäftigen.

„Omama hat kein Gefühl mehr für die Jahreszeiten. Das muss furchtbar sein.“
„Nein. Weil die Jahreszeiten in ihrem Kopf in Lichtgeschwindigkeit vorüberziehen. Sie weiß seitdem nicht mehr, dass sie sterblich ist. Omama lebt im Paradies der vier Jahreszeiten, die sich unaufhörlich abwechseln. (Seite 173)

© Alexandra Zylenas
www.buecherkaffee.blogspot.de

Eine exklusive Leseprobe findet ihr hier.

Titel: Pardon, Monsieur, ist dieser Hund blind?
Autor: Hervé Jaouen
Verlag: Urachhaus Verlag
Erscheinungsjahr: 2013

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Das Bücherstadt Magazin wird herausgegeben vom gemeinnützigen Verein Bücherstadt. Unter dem Motto "Literatur für alle!" setzt sich die Redaktion mit der Vielfalt der Literatur im Sinne des erweiterten Literaturbegriffs in verschiedenen medialen Aufbereitungen auseinander.

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