Nichts für schwache Nerven

von | 01.07.2015 | Belletristik, Buchpranger

Kevin Powers präsentiert seiner Leserschaft den unverblümten Kriegsalltag eines jungen US-Soldaten im Irak. Der Überlebenskampf des 21-jährigen John Bartles erfährt in seiner Darstellung augenscheinlich Prägungen der eigenen Erfahrungen des ehemals dort stationierten Autors. Die erschreckende Feststellung, dass die Fiktion eine unbestreitbare Realität beschreibt, entfaltet eine geradezu entwaffnende Wirkung. – Von Stadtbesucherin Jessica Bücker

„Das Leben ist Schmerz“ […] und wir waren beide so geblendet, als wäre die Sonne der ganze Himmel.

Powers Roman beschreibt in einer Zeitspanne von sechs Jahren (2003-2009) Begebenheiten aus dem Leben John Bartles, eines jungen US-Soldaten. Die Kapitel sind nicht chronologisch angeordnet, wodurch der Leser zur Kreation der tatsächlichen zeitlichen Abläufe angeregt wird. Die im Mittelpunkt stehende Geschichte der Freundschaft zwischen John und dem 18-jährigen Murph wird vom brutalen Kriegsalltag im Irak überschattet. Durch ein Versprechen, das John Bartle der Mutter seines Freundes Murph gab, verpflichtete er sich dazu, für das Überleben ihres Sohnes die Verantwortung zu übernehmen – eine fatale Entscheidung, die ihn seither unablässig zu belasten scheint.

Unverhohlen wird der Tod als Beigeschmack eines normalen Tagesablaufes präsentiert, Verlust und Schmerz stehen auf der Tagesordnung. Der Tod ist jedoch nicht nur im Krisengebiet zum Greifen nahe, denn John nimmt die Angst und die Trauer bei seiner Rückkehr mit in die Heimat. Während es im Irak das oberste Gebot war zu überleben, wächst in ihm nun, zurück in Amerika, der Wunsch zu sterben. Der Roman wirkt trotz der permanenten Behandlung von Tod unglaublich lebendig; durch die präzisierte Darstellung der Gedanken Bartles und die detailgetreue Beschreibung seiner Umgebung. Der bildhafte Schreibstil des Autors kreiert eine genaue Vorstellung der Geschehnisse in den Köpfen der Leser.

Kevin Powers beschönigt durchaus nichts. Durch die detaillierte Beschreibung der Umgebung und Emotionen, ist das Leid des Protagonisten unmittelbar nachzuvollziehen und schafft bei der Leserschaft Bewusstsein für das Glück in einer friedlichen Umgebung leben zu dürfen. Es wirkt nahezu wie eine Verarbeitung von Dingen, die dem Autor in ähnlicher Weise widerfahren sein mögen. Der Roman erscheint als ein Gemisch aus philosophischen Fragen nach dem Sinn des Lebens und aus der grausamen Beschreibung von Kriegsaktivitäten. Es empfiehlt sich somit nicht der zart besaiteten Leserschaft, sondern vermag sich Anerkennung bei Rezipienten mit mutigem Blick für die harte Realität zu verschaffen.

Die Sonne war der ganze Himmel. Kevin Powers. Übersetzung: Henning Ahrens. Fischer. 2014.

 

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