„Nenne meinen Namen nicht!“

von | 09.02.2017 | Kreativlabor

„Nenne meinen Namen nicht!“ Dieser Satz hat Bücherbändigerin Elisabeth zum Grübeln gebracht.

Dass so manch einer – zum Teil auch zu Recht – über einen etwas unglücklich geratenen Nachnamen klagt, ist ja verständlich. Doch als jemand seinen eigenen Vornamen so verleugnete, hat mich das etwas stutzig gemacht. Sicher, es gibt Eltern, die sich etwas ganz „Besonderes“ für ihr Kind ausdenken, was dann aber für Sohnemann oder Töchterchen im vernunftmäßigen Alter keineswegs vorteilhaft ist. Dass es sich dabei allzu oft allerdings um relativ normale, gebräuchliche Namen handelt, sei hier nicht verschwiegen.

Als ich dann erfahren habe, wie jemand aus meinem Freundeskreis seinen normalen, unauffälligen Vornamen in einen außergewöhnlichen – wahrscheinlich keltisch – angehauchten geändert hat (Ja, richtig! Mit Amt und Dokument und so), musste ich mir ernsthaft überlegen wie sehr man seinen Namen wohl hassen musste, um einen solchen Schritt zu machen. Natürlich sucht man ihn sich nicht selbst aus. Der Name wird einem aufgedrückt und ist mit Vorstellungen, Bedeutungen und auch Vorurteilen behaftet. Man denke nur an die armen Kevins dieser Welt. Dieser Name ist immerhin – zumindest im deutschsprachigen Raum – von einem modernen, englischen Namen zu einem Synonym für „nicht ganz so intelligent“ abgestiegen. Vom weiblichen Namen „Chantal“, dem der gleichnamige Charakter im Film „Fack ju Göhte“ die Krone aufgesetzt hat, gar nicht zu sprechen.

Doch frage ich mich, ob man sich dann so sehr mit der Bedeutung seines Namens identifizieren will, dass dieser nicht mehr passend wirkt oder eben genau das Gegenteil. Geht es überhaupt um den Sinn oder einfach nur um den Klang und wie ein Name in der Gesellschaft wirkt? Sterben deswegen alte Namen aus? Schwappen Namen deshalb aus anderen Ländern herüber? Wird die Auswahl für Eltern einfach zu groß, da nun ja quasi alles erlaubt ist? Wenn man sich die Urteile von manchen Gerichten ansieht, wie Eltern ihre Kinder nennen dürfen, scheinen die Grenzen des Machbaren schon überschritten, wenn nicht gar gesprengt zu sein.

Schließlich habe ich mich an mich selbst erinnert. Man drehe die Zeit zurück in meine Sturm- und Drangphase – die glorreiche Pubertät. Eine Zeit, in der man alles kritisch betrachtet und hinterfragt und prinzipiell erst einmal negativ wahrnimmt, bis man sich vom Gegenteil überzeugen lässt. Dabei spielen Argumente nicht immer die größte Rolle. Zumindest bei mir war es so. Ich hatte damals einen Spitznamen. Nein, mehrere. Als ich nach der Bedeutung meines Namens geforscht habe – man ist ja neugierig – wollte ich damit nichts mehr zu tun haben. Ich wollte so nicht mehr genannt werden, denn die religiöse, christliche Bedeutung dahinter war so gar nicht das, was ich damals als „cool“ empfand. Identifiziert habe ich mich damit so ganz und gar nicht. Ich hatte ja Spitznamen.

Weder in meiner Familie noch unter meinen Freunden wurde ich mit vollem Vornamen angesprochen. Ihnen gefiel also offenbar der Name auch nicht. Ergo brauchte ich ihn nicht. Nun ja, bis ich dann eben doch erwachsen werden musste und vor meinem ersten Chef stand. Klingt auch blöd sich vorzustellen mit: „Hallo, ich wäre dann die Lisi.“ Ein „richtiger“ Name musste her und schon war mein Vorname wieder gebräuchlich und wichtig. Heute lebe ich recht gut damit. Ich stelle mich so vor wie es in der Situation gerade angebracht ist.

Den Sinn meines Namens bringe ich mit mir selbst immer noch nicht in Verbindung, doch das macht nichts. So streng muss man es ja nicht nehmen und ich höre nun auch darauf, wenn man mich mal nicht mit meinem Spitznamen anspricht. Vor allem aber bei meinen Eltern: Wenn sie mich mit richtigem Vornamen ansprechen ist Gefahr im Anmarsch. Dann heißt es Beine in die Hand nehmen, denn dann hab‘ ich was ausgefressen.

Warum also so streng mit seinem eigenen Vornamen umgehen, wenn die anderen es auch nicht tun? Spitznamen sind schnell gefunden. Den richtigen Vornamen verwendet man meist wohl eher im Zusammenhang mit distanziertem Respekt. Je näher man sich steht, umso mehr wird der Name verändert. Manchmal auch gezwungenermaßen. Ein sehr krasses Beispiel erfuhr ich vor einigen Jahren. Ein Japaner mit Namen Atsushi (im Japanischen werden Vokale wie „u“ gerne verschluckt, die Schwierigkeit einer richtigen Aussprache ist also durchaus verständlich) erzählte mir, dass er während des Studiums in Deutschland mit einem ganz anderen Namen benannt worden war. Grund dafür war, dass seine Kommilitonen es wohl nicht geschafft hatten, seinen Namen richtig auszusprechen (zu deren Verteidigung: einfach war er wirklich nicht). Allerdings machten sie sich nicht einmal die Mühe, es zu versuchen und nannten ihn stattdessen Takeshi – nach der japanischen Fernsehserie, die jeder kannte.

Ist ein gegebener Name denn so wertlos, dass man sich nicht einmal die Mühe machen muss, den anderen richtig anzusprechen? Macht man sich selbst um seinen Namen mehr Gedanken als andere? Gibt es dafür eigentlich überhaupt eine allgemein gültige Antwort? Ich habe sie noch nicht gefunden.

Illustration: Seitenkünstler Aaron

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Das Bücherstadt Magazin wird herausgegeben vom gemeinnützigen Verein Bücherstadt. Unter dem Motto "Literatur für alle!" setzt sich die Redaktion mit der Vielfalt der Literatur im Sinne des erweiterten Literaturbegriffs in verschiedenen medialen Aufbereitungen auseinander.

2 Kommentare

  1. Satzhüterin Pia

    Schöne Gedanken, Lisi! Bei mir stellt sich das Problem eher weniger, mein Vorname ist mit drei Buchstaben nicht für Abkürzungen gemacht und aus Pia hat sich auch noch kein anderer Spitzname ergeben. Dafür hat zB meine Mutter einen sehr ungewöhnlichen Namen. Sie heißt Burga – ein Name der mir naturgemäß ganz normal vorkommt, andere sind in ihrem Leben aber oft darüber gestolpert und besonders als Kind und Jugendliche war das durchaus ein Thema. Meine Schwester genauso – sie heißt Carlotta Leonie und wird bis heute Lotta genannt. Ein „Carlotta!“ hat sich für sie auch schnell, ähnlich wie bei dir, zu einem „Oh, oh, was hab ich jetzt angestellt?“ entwickelt 😉
    Auch mit meinem Nachnamen hatte ich Glück. Zarsteck muss ich zwar ständig buchstabieren, aber er ist in Deutschland einzigartig, weswegen ich nach meiner Hochzeit auch nicht bereit war, ihn herzugeben (Übrigens auch ein spannendes Diskussionthema: Warum muss in der Gesellschaft überwiegend immer noch die Frau den Namen des Mannes annehmen? Das ist für erstaunlich viele noch immer ein ganz schöner Stolperstein, das hatte ich gar nicht erwartet..)
    Wenn ich mir Artikel über aktuelle Vornamen in Deutschland angucke, muss ich aber auch den Kopf schütteln. In meiner Klasse waren damals Sarahs und Julias ohne Ende, aber ein Bub oder eine Sundance muss es ja auch nicht unbedingt sein ^^

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    • Zeichensetzerin Alexa

      Hi Pia, ich nenne mich auch lieber Alexa als Alexandra. Irgendwie identifiziere ich mich eher mit der kürzeren Version. Und wenn ich mal Alexandra genannt werde, klingt das in meinen Ohren tatsächlich nach „Oh, oh, was hab ich jetzt angestellt?“, es sei denn, es handelt sich bei der rufenden Person nicht um Bekannte/Verwandte. Bzgl. Nachnamen muss ich dir zustimmen: Sehr oft nehmen die Frauen den Namen des Mannes an – zumindest in meinen Kreisen. Das kann unterschiedliche Gründe haben. Schade finde ich, dass es gesellschaftlich noch immer nicht „ok“ ist und man sich für die Wahl rechtfertigen muss, wenn ein Mann den Namen der Frau annimmt. Auf der anderen Seite würde ich aber auch nicht wollen, dass mich moderne Frauen kritisieren, nur weil ich mich bewusst für den Namen des Mannes entschieden habe – völlig unabhängig von den Erwartungen oder Sonstigem – sondern schlicht aus dem Grund, weil er besser klingt. So weit meine Gedanken dazu. 😉 LG

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