King für Zwischendurch

von | 05.03.2016 | Auditorium, Hörbücher

„Meine Waren biete ich gerne feil, wenn die Straßen verlassen sind und wenn eine kalte Mondrinde über den Schluchten der Großstadt schwebt. Nur zu, ihr könnt sie euch ruhig näher ansehen, aber seid bitte vorsichtig. Bestenfalls sind sie bissig und schnappen zu.“

Im „Basar der bösen Träume“ bietet dir der Meister des Horrors zwanzig dieser bissigen Waren in Form von Kurzgeschichten an. Gleich die erste Geschichte, „Raststätte Mile 81“, zeigt, was passiert, wenn du dich nicht an Warnungen wie denen aus dem Vorwort hältst: Es verschlingt dich! Eingefleischten Fans von Stephen Kings Horrorromanen dürfte diese Geschichte bereits bekannt vorkommen, wurde sie doch bereits 2011 als eBook veröffentlicht. Neben zwei weiteren Texten, die bereits im Deutschen veröffentlicht wurden, handelt es sich ansonsten um vollkommen neue Geschichten, in deren Sog du dich reißen lassen kannst.

Typisch untypisch?

„Basar der bösen Träume“ ist ganz King und auch wieder nicht. Auf über 20 Stunden Gesamtspielzeit breitet der US-amerikanische Schriftsteller neue Facetten vor seinen Lesern – oder in diesem Fall Zuhörern – aus. Neu? Wenn du King bereits gut kennst, weißt du sicherlich, dass der allgemein als Horrorspezialist bekannte Autor schon immer mehr konnte: Fragen nach Freundschaft, Vertrauen, Liebe, Verlassen werden, Angst vor dem Tod und dem Leben.

Der King’sche Horror tritt hinter melancholische, gruselige, teilweise mystische Komponenten zurück – nicht zum ersten Mal. Denn schon früher zeigte er einen alltäglicheren Horror, wie zum Beispiel in „Cujo“, in dem ein tollwütiger Bernhardiner eine Mutter mit kleinem Sohn in ihrem Auto gefangen hält. Oder in „Todesmarsch“, in dem es um gesellschaftskritische Fragen geht. Ja, es geht auch im „Basar der bösen Träume“ noch in Richtung Horror, aber auch makabres, der Verfall, der Tod, das Leben nach dem Sterben finden eine Stimme.

Schon die zweite Geschichte des als Thriller gekennzeichneten Hörbuchs zeigt eine Vergänglichkeit des Seins, wie es doch irgendwie neu für den, zumindest klischeehaften, King ist. Du kommst nicht umhin, es sogar etwas komisch zu finden, wenn in „Premium Harmony“ einem Mann in den Dreißigern nicht nur die Frau überraschend in einem Einkaufsmarkt verstirbt, sondern auch noch der Jack-Russel-Terrier in der Sommerhitze im Wagen verreckt.

Die Mischung macht’s

Diesmal ist es nicht der pure Whisky, den der Konsument hier verabreicht bekommt, sondern es wird deutlich mehr Cola darunter gemischt. Mit dieser verdünnten – deswegen aber keineswegs schlechteren – Mischung, kommst du nicht nur als King-affiner Abnehmer, sondern auch als zartbesaiteter Neuling in dessen Gefilden auf deine Kosten. King ist kein Jungspund mehr, seine Gedanken und Ideen verändern sich und dies schlägt sich in seinen Geschichten nieder. Er geht sogar so weit und wagt einen Abstecher in die Lyrik. Damit dürfte er auf jeden Fall überraschen, wenn vielleicht auch nicht jeden begeistern.

Querverweise für eingefleischte Fans

Diese Sammlung ist also etwas für Neueinsteiger oder Leser*innen/Hörer*innen, die sonst nicht viel mit King und seinen Horrorgeschichten anfangen können. Und doch ist sie auch wiederum ganz besonders etwas für eingefleischte Fans. Wenn du dich mit seinen Geschichten auskennst, bemerkst du, wie „Böser kleiner Junge“ an „Es“ erinnert. Oder „Raststätte Mile 81“ an „Christine“, „Ur“ an „Der Anschlag“, „Ein Tod“ an „The Green Mile“, oder du erkennst die Querverweise zu früheren Werken. Zum Beispiel spielt die erwähnte zweite Geschichte „Premium Harmony“ in der fiktiven Kleinstadt Castle Rock, die bereits „In einer kleinen Stadt“ Ort der Geschehnisse war.

Eine ganz persönliche Note

Aber es gibt noch einen zweiten Punkt, warum der „Basar der bösen Träume“ ein besonderes Schmankerl für King-Fans ist: Zu jeder Kurzgeschichte gibt es eine Einleitung, in der der Autor ein paar Sätze zur Entstehung des Textes verliert. Diese sind mal ausführlicher, mal knapper gestaltet, aber immer persönlich, informativ und spannend für den Hintergrund. Manchmal spannender als die Geschichte selbst. Auch als (Hobby-)Schreiberling dürften dich die Äußerungen des Autors interessieren, denn die Hintergrundinformationen beinhalten nicht selten die Informationen, wo, wann und wie die Geschichte entstanden ist und wie King selbst zu Kurzgeschichten und längeren Texten steht. Dabei bleibt er weniger langatmig, als du nun vermuten möchtest.

Die Stimme

David Nathan zählt nach mehreren Vertonungen von King-Romanen als „die deutsche Stimme von Stephen King“. Wenn du wie ich noch nie einem Hörbuch mit Nathans prägnanter, dunkler, ich möchte fast sagen sexy Stimme gelauscht hast, brauchst du vielleicht ein wenig Zeit. Zeit, um nicht mehr Johnny Depp vor Augen zu haben, Christian Bale, Paul Walker oder James Marsters als Spike aus „Buffy – im Bann der Dämonen“ (auch wenn dieser bei manchen Sätzen Kings erstaunlich gut passen mag). Und danach ist es einfach nur noch besser: Nathan wird hier in seiner Rolle als Vorleser vielleicht nicht sonderlich gefordert, seine ruhige und doch so facettenreiche, dynamische Stimme funktioniert jedoch wirklich wundervoll. Kings bildhafte Sprache passt zu Nathans Stimme und dies gilt sowohl für die Passagen des Autors selbst als auch für die Stimme des Erzählers. Nathan führt dich als Zuhörer oder Zuhörerin galant durch das Vorwort, die Einleitungen und die Geschichten selbst. Manchmal ist es erst die Stimme, die die Geschichten rund macht und kleinere Schwächen ausmerzt.

Fazit

Wenn du also etwas King für Zwischendurch suchst, ist der „Basar der bösen Träume“ sicherlich nicht die schlechteste Wahl. Um einige schwächere Geschichten auszugleichen, ist das Hörbuch mit Nathans Stimme dann wohl die bessere Wahl gegenüber dem Buch. Wenn die Stimmung nicht bei allen Geschichten dicht und eindringlich ist, macht die Vorleserstimme dies wieder wett.

Vielseitig, kreativ und abwechslungsreich, insgesamt für Neulinge scheinbar etwas untypisch, aber vor allem persönlich! Ein kleines Manko stellt jedoch die Verpackung dar: für knapp 20 Euro bekommst du zwar über 20 Stunden Gesamtspielzeit, aber auch nur eine instabile Verpackung aus Pappe für die drei MP3-CDs. Die Optik in schwarz-rot mit weißen Akzenten ist dafür wieder sehr ansprechend. Bei langen Autofahrten solltest du die Hülle jedoch sorgfältig verstauen, sonst sieht sie bald ramponiert aus.

Wenn ich dich neugierig gemacht habe, hör auf der Seite der Verlagsgruppe Random House einfach mal in eine Hörprobe rein!

Satzhüterin Pia

Basar der bösen Träume. Stephen King. Sprecher: David Nathan. Random House Audio. 2016. Thriller, ungekürzte Lesung mit einer Gesamtspielzeit von ca. 20 Std, 15 Min.

 

Bücherstadt Magazin

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Das Bücherstadt Magazin wird herausgegeben vom gemeinnützigen Verein Bücherstadt. Unter dem Motto "Literatur für alle!" setzt sich die Redaktion mit der Vielfalt der Literatur im Sinne des erweiterten Literaturbegriffs in verschiedenen medialen Aufbereitungen auseinander.

2 Kommentare

  1. Avatar

    Hallo Pia,
    ich bin aktuell gerade bei der englischen Fassung und kann deinen Eindruck genauso bestätigen. Als langjähriger Kingleser ist es ein Buch, welches Eindrücke bestätigt, aber auch zeigt, was Kind neben dem puren Horror alles noch so drauf hat. Besprechung dazu kommt auch bei mir demnächst.

    Gruß
    Marc

    Antworten
    • Avatar

      Hallo Marc,
      danke für deine Rückmeldung, freut mich, dass auch du diesen Eindruck hast.
      Tatsächlich sind andere Rezensionen, die ich bisher noch so gelesen habe, eher der Meinung, King sei hier so anders als üblicherweise.
      Viel Spaß noch beim Lesen 🙂
      Lieben Gruß
      Pia

      Antworten

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