Vom Frechsein und Angsthaben

von | 15.06.2014 | Bilderbücher, Buchpranger

Eigentlich sind Dachse fleißige und ordentliche Tiere, aber Frechdachs ist anders. Er zeigt die Zunge, spuckt auf den Boden, räumt seine Spielsachen nicht weg und hört nicht auf seine Eltern. Entgegen der Ermahnungen seines Vaters verlässt er den Wald und geht zum Bauern. Dort ärgert er die Hühner und die Ziege und lässt die Hasen aus ihren Käfigen. In einem Käfig entdeckt er schließlich einen Hasen, der fürchterliche Angst hat – einen Angsthasen. Frechdachs weiß zunächst gar nicht, was Angst ist, aber später lernt er das Gefühl selbst kennen. In dem Hasen hat er jedenfalls einen Freund gefunden, was seine Eltern sehr freut.

Auf Frechdachs‘ Verhalten wird am Ende jedoch nicht eingegangen. Beschrieben wird lediglich, dass es seinem Vater nicht gefallen hat. Konsequenzen gibt es aber keine, was zu dem Gedanken führt, so ein Verhalten sei wohl in Ordnung. Dabei hat sich Frechdachs einer großen Lebensgefahr ausgesetzt!

Was bleibt, ist viel Gesprächsbedarf: Warum ist Frechdachs so frech? Und warum ist er anders als andere Dachse, die doch eigentlich fleißig und ordentlich sind? Sind eigentlich alle Hasen Angsthasen? Hat Frechdachs sonst keine anderen Freunde? Der Angsthase scheint am Ende Dank Frechdachs seine Angst verloren und das Verhalten des Dachses angenommen zu haben. Wenn man die Illustrationen genau betrachtet, sieht man die Veränderung in seinem Verhalten; am Ende ist Angsthase mindestens genauso frech wie Frechdachs. Denn während sie am Tisch sitzen und essen, werfen sie die Reste auf den Boden, anstatt sie, wie die anderen Familienangehörigen von Frechdachs, auf den Tellern zu lassen.

Fragwürdig sind dabei vor allem die allgemein bekannten, klischeehaften Bezeichnungen „Frechdachs“ und „Angsthase“. Damit bestätigt der Autor nur unsere Vorurteile und das Schubladendenken. Warum Frechdachs? Warum Angsthase? Und warum nicht genau andersherum? Es wirkt, als sei der Name es, der Frechdachs erst zum Frechsein verleitet. Als sei der Angsthase nur ein Angsthase, weil man ihn so bezeichnet. Solche Vorurteile haben wir auch bei Mädchen- und Jungennamen. Besonders Kevin und Shantal rufen häufig den Gedanken hervor: Ach, typisch, alle Shantals sind verhaltensauffällig. Genau das bestätigt der Autor mit diesem Buch und es macht auch kaum einen Unterschied, dass „Dachse eigentlich ordentliche und fleißige Tiere“ sind. Denn Frechdachs ist am Ende doch nur ein „Frechdachs“, und Angsthase doch nur ein „Angsthase“, auch wenn beide im Laufe der Geschichte die jeweils andere Charaktereigenschaft kennen lernen.

Zeichensetzerin Alexa

Frechdachs und Angsthase. Nicolas d‘ Aujourd’hui. Orell Füssli. 2013.

 

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