Eine Starbesetzung und ein Mordfall

von | 22.12.2017 | Filme, Filmtheater

Während einer Zugfahrt wird Edward Ratchett tot aufgefunden. Tatwaffe: Ein Messer, mit dem mehrfach auf ihn eingestochen wurde. Doch wer ist der Mörder? Geschichtenzeichnerin Celina folgt den Ermittlungen in der mittlerweile vierten Verfilmung von Agatha Christis Roman „Mord im Orientexpress“.

Hercule Poirot entscheidet sich auf der Rückreise von einem Fall, in den Orientexpress einzusteigen. Sein Freund und Sohn des Direktors der Eisenbahngesellschaft Monsieur Bouc verhilft ihm zu einem Platz im eigentlich ausgebuchten Express. Gemeinsam treten sie die Reise an. Während der Fahrt kommt es zu einem Unwetter, das eine Lawine auslöst, welche die Lok entgleisen lässt. Ein Weiterkommen ist erstmal nicht möglich. Darüber hinaus wird der dubiose Kunsthändler Ratchett, gespielt von Johnny Depp, ermordet in seinem Abteil aufgefunden. Der belgische Detektiv Poirot, der sich eine ruhige Reise erhofft hatte, nimmt widerstrebend die Ermittlungen auf, um somit den Täter unter den Reisenden zu finden.

Ein unschlagbarer Ermittler

Hercule Poirot, verkörpert von Kenneth Branagh mit markant kräftigem Schnurrbart, ist nach seiner überaus erfolgreichen Laufbahn als Detektiv dem Ruhestand nahe. Er ist raffiniert und in seinem Metier einer der Besten, aber bei diesem Fall wirkt er teils verzweifelt. Anders wird dies im gleichnamigen Roman beschrieben, wo er zwar kleiner ist, dies aber durch ein riesiges Ego ausgleicht. Dort denkt er nicht an den Ruhestand, sondern ist überaus motiviert und reibt einem immer wieder unter die Nase, einer der besten Detektive der Welt zu sein. Dies bekommen im Buch auch Monsieur Bouc und der Doktor Stavros Constantine, die Poirot bei den Ermittlungen helfen, mit. Immer wieder ist er überheblich und glänzt mit rechthaberischem Sarkasmus diesen gegenüber. Im Film gibt es diese Konstellation nicht, da Poirot allein ermittelt und sich höchstens seiner Freundschaft zu Monsieur Bouc sicher sein kann. Doktor Constantine fällt als Charakter komplett weg.

Aber dieses Phänomen, dass Inhalte verändert werden, scheint es vielfach bei Buchadaptionen zu geben. Alle anderen Charaktere, die sich im Zug befinden, sind ebenfalls neu interpretiert; manche mehr, andere weniger.

Hollywood-Streifen

Die Abweichungen zwischen Buch und Film lassen sich auch an äußerlichen Merkmalen erkennen. So ist Monsieur Bouc im Film, gespielt von Tom Bateman, ein Jungspund, während dieser im Roman ein kleiner, älterer, untersetzter Mann mit Bürstenhaarschnitt ist. Weiterhin ist dieser ursprünglich nicht einfach nur der Sohn des Direktors der Eisenbahngesellschaft, sondern selbst der Direktor. Vergleichbar ist das etwa mit den Neuverfilmungen von Sherlock Holmes, in denen beispielsweise die Hauptdarsteller jünger sind als in der Romanvorlage.

Dafür wimmelt es nun im Zug vor Stars. Kenneth Branagh, der den Protagonisten mimt und gleichzeitig Regie führt, gibt Hercule Poirot ein treffendes Gesicht und setzt seine Rolle überzeugend um. Ebenso ist die kurze und dennoch entscheidende Darbietung von Johnny Depp als Ratchett bemerkenswert gut.
Weitere prominente Darbietungen sind unter anderem: Penélope Cruz als strenggläubige Missionarin Pilar Estravados, der Wiener Professor Mr. Hardman, gespielt von Willem Dafoe, Judi Dench als Prinzessin Natalia Dragomiroff oder die Witwe Caroline Hubbard, von Michel Pfeifer in Szene gesetzt. Ebenso hat Star-Wars-Heldin Daisy Ridley eine Rolle als Gouvernante Mary Debenham.

Ich habe gesehen, wer es war

Die präsentierten Landschaftsaufnahmen und die Kameraführung sind große Pluspunkte des Films. Teils wird in der Totalen die Fahrt durch verschneite Berglandschaften gezeigt oder es wird frontal auf den Zug gefilmt. Hinzu kommen Aufnahmen, welche die Zuschauer durch die Wagons führen. Wobei die Szenen im Zug auch wieder unterschiedliche Kameraeinstellungen aufweisen. So erhält man als Betrachter verschiedene Perspektiven auf die entsprechenden Szenen. Durch einige Entscheidungen bezüglich der Szenerien – etwa in der Befragung von Mary Debenham oder die komplette Auflösung des Falls – geht die bedrückende, kammerspielartige Atmosphäre des Originals etwas verloren. Trotzdem kann man von „Mord im Orientexpress“ gut unterhalten werden.

Mord im Orientexpress. Regisseur: Kenneth Branagh. Drehbuch: Michael Green. Darsteller: Kenneth Branagh, Daisy Ridley, Johnny Depp, Judi Dench, et al. Fox. USA. 2017.

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