Der gute Wolf und andere Tiergeschichten

von | 26.03.2014 | Bilderbücher, Buchpranger

„Fünf Geschichten, so wertvoll und tiefsinnig, dass man sich wünscht, jedes Kind bekäme die Möglichkeit, sie zu hören, die Moral aus ihnen mitzunehmen und mit einer guten Einstellung aufzuwachsen.“

Cover © NordSüd Verlag

Das Kinderbuch „Der gute Wolf und andere Tiergeschichten“ enthält fünf Geschichten mit wunderschönen, farbenfrohen Illustrationen von Józef Wilkoń. Fünf verschiedene Autoren erzählen dabei auf kindgerechte Art von Werten und Normen, Vorurteilen und Streit. Protagonisten der Geschichten sind stets Tiere, manchmal als Begleitung eines menschlichen Freunds.

Gleich die erste Geschichte „Die Geschichte vom guten Wolf“, geschrieben von Peter Nickl, greift Vorurteile als Schwerpunkt auf. Oftmals werden den Tieren bestimmte Charaktereigenschaften zugeschrieben: der Wolf ist böse, der Hase ängstlich, der Fuchs schlau und die Eule klug. Der Großvater des Wolfes schimpft deswegen: „Das ist eine dumme Allerweltsweisheit (…) und stimmt genauso wenig, als sagte man: Die Schotten sind geizig, die Spanier stolz oder alle Mädchen in Polen sind schön.“ Daraufhin erzählt er die Geschichte vom guten Wolf, der als Arzt versucht hat, den Tieren im Wald zu helfen. Da aber alle dachten, Wölfe seien böse, wollte zunächst keiner seine Hilfe annehmen. Erst als der Winter kam und ihnen nichts anderes blieb, als jede Hilfe anzunehmen, wandten sie sich an den Wolf – und mussten feststellen, dass er alles andere als böse war! Seine Weisheit und Hilfsbereitschaft verbreitete sich rasch im Wald, sodass ihn alle nur noch als den guten Wolf kannten. Eine Geschichte, die zeigt, wie schnell man alle in einen Topf wirft und Vorurteile unser Handeln beeinflussen.

In „Hase hopp-hopp-hopp“ von Josef Guggenmos begleiten Hasen den Leser durch die Jahreszeiten. Verschiedene lyrische Texte erzählen von Osterhasen, die Eier bemalen, von Hasen, die zum Regenbogen laufen oder vom Bauer weglaufen. Texte, die beschreiben, was Hasen das ganze Jahr über machen und deutlich machen, dass Hasen nicht nur an Ostern da sind!

Einen starken Freund wünscht sich das Mädchen in der Geschichte „Holpeltolpel, starker Freund“ von Hermann Moers. In dieser erscheint ein Bär aus einem Bilderbuch und beginnt dem Mädchen in verschiedenen Alltagssituationen zu helfen. Er hilft ihm durch den starken Verkehr zu kommen, hält ihm die schwere Tür auf und schlichtet einen Streit mit einem Jungen, der das Mädchen ständig an den Haaren zieht. Wenn das Mädchen allein zu Hause ist, weil die Mutter einkaufen gehen muss, passt der Bär auf sie auf. Ein Freund, auf den man sich verlassen kann!

Dass man sich auch mal täuschen kann, zeigt die Geschichte „Mister Browns Katze“ von Slawomir Wolski. Die Katze, die bei Mister Brown wohnt, ist nämlich gar keine Katze, sondern ein Tiger! Und er wächst von Tag zu Tag immer mehr. Was also tun? Mister Brown kann doch keinen Tiger zu Hause halten! Also versucht er, dem Tiger ein neues Zuhause zu finden: im Zoo und im Zirkus zum Beispiel. Aber jedes Mal passt etwas nicht und der Tiger ist so traurig, dass Mister Brown ihn doch wieder mit nach Hause nimmt. Und dann hat er eine Idee, wie er seinen Tiger sorglos bei sich behalten kann…

„Der Streit um den Regenbogen“ von Siegfried P. Rupprecht zeigt uns die Sinnlosigkeit eines Kriegs. Er erzählt von den Ländern der Wölfe und Bären, die jeweils ihren eigenen König haben. Sie leben in Frieden nebeneinander, feiern gemeinsam Feste, laden sich gegenseitig gerne ein. Bis eines Tages ein Regenbogen erscheint. Alle sind überwältigt von dieser Schönheit! Diese Farben! Doch dann verschwindet der Regenbogen wieder und die Bären und Wölfe geben sich gegenseitig die Schuld daran. Beide Länder behaupten, das jeweils andere hätte den Regenbogen versteckt! Unter den Tieren entsteht Unruhe und die Könige beschließen, dass so etwas nur mit einem Krieg geklärt werden kann. Doch ist Krieg wirklich eine Lösung? Ein weiser Bär gibt den Rat, in beiden Ländern nach dem Regenbogen zu suchen. Die Wölfe im Bärenland und die Bären im Wolfsland. Als die Generäle am nächsten Morgen zu den Waffen rufen, müssen sie feststellen, dass keiner erschienen ist… Eine Geschichte, die uns vor Augen führt, dass das Volk gar keinen Krieg will und seine Probleme viel lieber anders löst!

Fünf Geschichten, so wertvoll und tiefsinnig, dass man sich wünscht, jedes Kind bekäme die Möglichkeit, sie zu hören, die Moral aus ihnen mitzunehmen und mit einer guten Einstellung aufzuwachsen. Aber nicht nur für Kinder ist dieses Buch geeignet: auch den Erwachsenen wird noch einmal vor Augen geführt, wie falsch Vorurteile sind, wie sinnlos der Krieg ist, und wie einsam sich Kinder fühlen können. Ob unsere Welt ein klein wenig besser wäre, wenn jeder offen wäre für solche Geschichten? Denn sind nicht wir es, die einem Regenbogen hinterherjagen, anderen die Schuld an seinem Verschwinden geben und uns darauf bekriegen? Wäre nicht alles schöner, wenn jeder mit offenen Augen durch die Welt ginge?

„Der gute Wolf und andere Tiergeschichten“ hat mir jedenfalls erneut Herz und Augen geöffnet und ich hoffe sehr, dass es auch vielen anderen Lesern genauso ergehen wird wie mir. Ein Bilderbuch, das definitiv in jedes Bücherregal gehört!

Illustratorenportrait

Józef Wilkoń, geboren am 12. Februar 1930 in Bogucice bei Wieliczka, gilt als Vater der modernen polnischen Kinderbuchillustration. Über 100 Bücher mit eigenen Geschichten und anderer namhafter, fremder Autoren hat er bereits illustriert. Für „Rosalind das Katzenkind“ erhielt er den Ehrenpreis „Premio Grafico“ auf der Buchmesse in Bologna. Mit dem Kinderbuch „Der gute Wolf und andere Tiergeschichten“ will der NordSüd Verlag diesen Klassiker des Kinderbuchs im deutschsprachigen Raum wieder sichtbar machen.

Über die Kunst des Illustrierens sagt Wilkoń:
„Es ist einfach, falls man einige Dinge weiß. Zuerst muss man wissen, wie das, was man malen will, ausschaut: Ein Mensch, ein Fisch, ein Vogel, ein Blatt oder ein Tier. Dann, wie es sich bewegt: Wie es rennt, kriecht, schleicht oder fliegt. Für viele ist dies das Ende des Lernweges. Einige gehen aber weiter und können die Tageszeiten malen, den Mond, wie er scheint, einen Vogel, der singt, sie können sogar Sorgen und Freude malen, Angst und Mut. Wenige können Schlaf, Ruhe und sogar den Geruch und Geschmack einer Frucht malen. Wenn man all dies weiß, muss man noch wissen, wie man Text und Illustration zusammen fügt, so dass sie sich ergänzen und eine Spannung im Buch wächst wie beim Theater und alles in die richtige Zeit und richtige Proportion bringt.“
– JÓZEF WILKOŃ: Wo die Bücher vom Himmel fallen – Bücher, Bilder und Filme aus Polen. SK Stiftung Kultur aus dem Jahr 2000.

Alexa

Titel: Der Wolf und andere Tiergeschichten
Autoren: Peter Nickl, Josef Guggenmos, Slawomir Wolski, Hermann Moers, Siegfried P. Rupprecht
Illustrator: Józef Wilkoń
Verlag: NordSüd, Erscheinungsjahr: 2014

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Das Bücherstadt Magazin wird herausgegeben vom gemeinnützigen Verein Bücherstadt. Unter dem Motto "Literatur für alle!" setzt sich die Redaktion mit der Vielfalt der Literatur im Sinne des erweiterten Literaturbegriffs in verschiedenen medialen Aufbereitungen auseinander.

6 Kommentare

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    Dieses Buch habe ich sofort 2x bei dem Buchhändler meines Vertrauens bestellt! Das ist doch ein wunderbares Ostergeschenk für meine Enkelkinder! Danke für den Tipp!
    Elvira

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        Die Bücher warten nun auf das Verschenktwerden. Natürlich habe ich zuerst die Geschichten gelesen und bin sehr begeistert. Auch die Buchhändlerin hat sich über diesen Kauf sehr gefreut. Sie kannte allerdings nur die einzelnen Geschichten und nicht alle vereint in einem Buch.

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  2. Avatar

    So, die beiden Bücher sind verschenkt und haben zwei völlig unterschiedliche Reaktionen ausgelöst. Meine knapp fünfjährige Enkeltochter wollte das Buch nicht einmal in die Hand nehmen. “Das will ich nicht! Das können meine Eltern haben!”, war ihre erste Reaktion. Ich bin zunächst nicht weiter darauf eingegangen, werde aber beim nächsten Besuch das Buch einfach aufschlagen und nicht mit der Wolfsgeschichte beginnen. Ich hätte nicht gedacht, dass das Mädchen schon so vom wolfhassenden anderen Opa (Jäger!) beeinflusst worden ist (obwohl sie ihn nur selten sieht). Der vierjährige Sohn meines anderen Kindes hingegen wollte die Geschichten sofort hören. Er ist “Fan” von Yakari und nimmt den Wolf nicht als böse wahr.

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    • Bücherstadt Kurier

      Da sieht man mal wieder, wie schnell man Kinder beeinflussen kann… Hat sich denn die Gelegenheit ergeben, das Mädchen an das Buch heranzuführen? Und auch wenn nicht: zum Lesen zu zwingen ist ja auch keine Lösung, dann lieber ein anderes Buch zum Vorlesen auswählen! Ich habe das Buch vor Kurzem auch meiner Oma zum Geburtstag geschenkt – die war auch begeistert und freut sich darauf, die Geschichten ihren Enkeln vorzulesen (beide im Grundschulalter). 🙂 LG, Alexa

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        Meine Enkel haben mehr Bücher als Legosteine – selbst die Jüngste, gerade 18 Monate alt, rennt sofort zum Bücherregal, wenn ich frage, was sie gerne machen möchte. Vorlesen ist für alle noch das Größte. Daher ist es nicht schwierig, das Wolfbuch erst einmal im Regal zu lassen. Und nein, bisher hat sich keine Gelegenheit ergeben, ihr das Buch näher zu bringen. Aber ich war schon immer ein sehr geduldiger Mensch. Irgendwann wird sich die Gelegenheit ergeben, überhaupt über Wölfe zu reden und all die anderen “bösen” Tiere wie Tauben, Krähen und, und, und.

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Trackbacks/Pingbacks

  1. Der Sonntagsleser KW#13 März 2014 | Lesen macht glücklich - […] guter Letzt noch etwas für die Kleinen, vorgestellt vom Bücherstadtkurier. Das Buch “Der gute Wolf und andere Tiergeschichten” stellt…

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