Die Heimat, die Fremde, das Nahe und Ferne – Themen, die man als Leser des Südtiroler Autors Joseph Zoderer kennt. Dass diese jedoch auch im „tatsächlichen“ Leben eine Rolle spielen und man wirklich das Vertraute im Unbekannten finden kann, durfte Bücherstädterin Silvia als Südtirolerin selbst feststellen, als sie auf der Leipziger Buchmesse auf Joseph Zoderer stieß.
Am ersten Messetag, dem 12. März, veranstaltete der Haymon-Verlag „Lesung und Gespräch“ mit dem Südtiroler Autor. Als dessen Gesprächspartner war Professor Doktor Johann Holzner eingeladen, der von 2001 bis 2013 Leiter des Brenner-Archivs in Innsbruck war, eine Tätigkeit, die unter anderem die Vorlass-Verwaltung von Joseph Zoderer beinhaltet. Außerdem ist Holzner Kurator von Zoderers neuaufgelegter Gesamtwerk-Ausgabe, deren Auftakt „Dauerhaftes Morgenrot“ bildet.
Der Autor wurde als eine „seit den 60er/70er-Jahren zentrale Figur in der Literaturlandschaft Südtirols“ vorgestellt. Er sei der erste Südtiroler seit 1945, der auch über die Grenzen der italienischen Region hinaus Aufmerksamkeit erregt und die starre Literaturlandschaft Südtirols verändert habe. Er selbst bezeichnet sich als „österreichischer Autor mit italienischem Pass“. Seine Bücher wurden in diverse Sprachen übersetzt und er erhielt bereits mehrere Literaturpreise.
Im bereits vor über 25 Jahren zum ersten Mal erschienen Roman „Dauerhaftes Morgenrot“ geht es um eine Liebesgeschichte, oder, so Holzner, um eine „existenzielle Geschichte zwischen dem gewünschten Leben und dem daran Vorbeileben“. Das Werk reiht sich damit ein in die für Zoderer typischen Themen wie etwa Eros und Thanatos (Liebe und Tod) oder der Problematik zwischen dem gewünschten Leben und dem tatsächlichen.
Zoderers Eigenart kam zum Vorschein, als er auf Holzners Frage so viel meinte wie, er wolle nicht antworten, sondern stattdessen lieber mit der Lesung beginnen. Es folgte also eine circa 20minütige Lesung, in der Zoderers recht gewöhnungsbedürftiger, dicht gedrängter, aber nicht unsympathischer Schreibstil zum Ausdruck kam. Am einprägsamsten war dabei wohl die Szene, die auch den Titel des Romans erklärt: „ein Morgenrot, das andauerte, obwohl Mittag längst vorbei war“.
In den letzten verbliebenen Minuten kam es dann doch noch ansatzweise zum geplanten „Gespräch“. Holzner merkte an, dass der Roman dem Leser die Möglichkeit gebe, in die eigene Innenwelt zu sehen und sich dadurch mit den eigenen Sehnsüchten und Wünschen auseinanderzusetzen. Auf seine Frage nach der Dissonanz zwischen dem Gewünschten und dem tatsächlich Gelebten, offenbarte Zoderer seine Tiefgründigkeit, indem er meinte: „Es gibt kein verfehltes Leben…“
Auf Holzners Feststellung hin, dass Zoderers Sprache nie die Herkunft des Sprechenden verraten würde, gab sich der Autor bescheiden und meinte, er als Schriftsteller könne das nicht wissen, das müssten die Leser selbst feststellen. Sein Schlusswort erinnert an die ethnische Komponente seines Werks, die unter anderem in „Die Walsche“ zu finden ist: „Die Literatur ist meine wichtigste Heimat, die anderen habe ich oft gewechselt.“
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