Buchgeschenk: Die Sonnenposition

von | 04.04.2014 | Belletristik, Buchpranger

Ihr möchtet ein Exemplar von Marion Poschmanns „Die Sonnenposition“ gewinnen? Beantwortet einfach die folgende Frage: Welchen Wert haben Auszeichnungen für Marion Poschmann? Schickt uns die Antwort bis 01.05.14 an info@buecherstadtkurier.com – viel Glück! Der Gewinner wird im Juni 2014 per E-Mail informiert. (Tipp: Die Antwort findet ihr im Interview mit Marion Poschmann in der 12. Ausgabe des Bücherstadt Kuriers.)

Cover © Suhrkamp

In „Die Sonnenposition“ schreibt Marion Poschmann über Altfried Janich, einen rundlich gebauten Rheinländer, der nach der Wiedervereinigung eine Stelle im „Ostschloss“ findet. Es ist ein heruntergekommener Barockbau, der als psychiatrische Anstalt dient. Altfried sieht sich dafür verantwortlich die Sonnenposition einzunehmen und den Patienten Orientierung zu geben.

„Ich erzähle von der Sonnenwarte aus. Allsehendes Auge des Arztes. Eine Position der Ferne, des generellen Überblicks. Ich behellige die Dinge mit meiner gleichmäßigen Aufmerksamkeit. Und doch ergeht mir mindestens die Hälfte, die Nachtseite, die Stellen, auf die der Schatten fällt. Das Interessante dabei ist die Hälfte, die im Dunklen bleibt. Die Sonne bescheint nur die Oberfläche. Und was sie sieht, ist nicht unbedingt das Entscheidende. Nicht das, worauf es ankommt. […]Schatten läßt sich nur ableiten. Schatten ist da, wohin mein Blick nicht fällt. Dennoch weiß ich um ihn, denn das Licht entsteht aus der Finsternis.“

Als Altfrieds Freund Odilo bei einem Autounfall stirbt, beginnt er die Schattenseiten zu sehen. Er fühlt sich bedrängt von den Patienten, ist nachts lange wach und schleicht durch die Gänge, sieht die zerstörten Räumlichkeiten der Anstalt und versinkt in Erinnerungen. Erinnerungen über Verluste, Ängste, Ausweglosigkeit. All das holt ihn wieder ein, als er auf Odilos Beerdigung seine Schwester Mila sieht. Er wundert sich über ihre Anwesenheit und fragt sich, wie viel Odilo ihr wohl bedeutet hatte.

„Eigentlich hätte ich erwartet und auch durchaus angemessen gefunden, daß sie sich in irgendeiner Form erklärte. Ich wartete noch eine Weile, als Psychiater muß man warten können, die Kunst besteht darin, ohne Druck und ohne Vorwurf zu warten, bis der Patient bereit ist, sich zu äußern, aber Mila war nicht mein Patient […].“

Altfried erzählt von gewaltverherrlichenden Zeichentrickfilmen, übermäßigem Fernsehkonsum, die verantwortlich sind für seine Träume. Und immer wieder Erinnerungen an vergangene Tage mit Odilo. Der Freund, der das Leben zu hinterfragen begann, der ansprach, was er sah. „Sattelschlaf. Scheinschlaf. Tage aus Schlaf. Die Leute seien auf Wohlstand aus, auf Bequemlichkeit, merkten in ihrer Dumpfheit kaum, daß sie von anderen gesetzte Ziele verfolgten.“ Odilo, der Altfried fragte, ob er den Rest seines Lebens in dieser Anstalt verbringen wollte. Der alles aus einem Blickwinkel sah, der Schatten auf Altfrieds Leben warf. Altfried hatte seine Sicht als persönliche Wertung aufgefasst, hatte Wut verspürt und darüber übersehen, wie Odilo sich gerade fühlte.

Marion Poschmann schreibt ihren Roman aus der Sicht der Kriegsenkel und geht dabei auf geschichtliche Fakten ein. Neben Eindrücken aus Zeiten der DDR, wird die Tötung von unschuldigen Menschen beschrieben. Gaskammern, in denen zwischen 1940 und 1941 etwa 15000 Menschen starben, darunter waren Geisteskranke, Behinderte, mißgebildete und mongoloide Kinder, Soldaten, die an einem Nervenleiden erkrankten… Medizinische Experimente, die im Konzentrationslager durchgeführt wurden, und an denen die Behandelten schwere Verbrennungen o.ä. erlitten und an den Folgen starben…

Die Autorin befasst sich mit Theorien, darunter die des Ortes und der Zeit. „Der Ort ist für denkende Menschen die reine Provokation. […] Die Zeit existiert nicht. Wir stellen sie her, indem wir versuchen, uns zu erinnern. Indem wir einen Duft aufnehmen, einen Klang, eine vage Empfindung, und daraus eine Vergangenheit konstruieren, die stattgefunden haben könnte, stattgefunden hat, und jetzt nur mehr eine Atmosphäre ist, die uns durchdringt.“

Neben all den Gedanken, Theorien und geschichtlichen Fakten beschreibt Poschmann Fallgeschichten, in denen Menschen krankhafte Verhaltensmuster aufzeigen. Es geht um einen Mann, der nicht aufhören kann Hamster zu sammeln. Einen anderen, der immer alles doppelt kaufen muss, für den Fall, dass eins davon kaputt oder verloren geht. Eine Frau, die ihre Schwangerschaften verheimlicht, ein Kind nach dem anderen zur Welt bringt und tötet… Diese und andere Fallgeschichten haben mit der eigentlichen Handlung nichts zu tun, verdeutlichen jedoch Altfrieds Einstellung, dass alles eine Schattenseite hat.

„Die Sonnenposition“ ist ein außergewöhnliches Buch. Ein Buch, das durch einen großen Wortschatz und lyrischem Erzählstil besticht, das zum Nachdenken anregt und in eine Zeit entführt, in der der schöne Schein die Wahrheit verdrängt. Ein Schatten, an dessen Anwesenheit wir denken müssen, denn „das Licht entsteht aus der Finsternis.“

Alexa

Titel: Die Sonnenposition
Autorin: Marion Poschmann
Verlag: Suhrkamp
Erscheinungsjahr: 2013

Bücherstadt Magazin

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Das Bücherstadt Magazin wird herausgegeben vom gemeinnützigen Verein Bücherstadt. Unter dem Motto "Literatur für alle!" setzt sich die Redaktion mit der Vielfalt der Literatur im Sinne des erweiterten Literaturbegriffs in verschiedenen medialen Aufbereitungen auseinander.

1 Kommentar

  1. Bücherstadt Kurier

    Liebe Bücherstädter,

    das Los hat entschieden! Die Gewinnerin wurde heute per E-Mail informiert.
    Wir wünschen viel Freude mit dem Buch!

    Eure Redaktion

    Antworten

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