André Linke im Interview

von | 08.09.2012 | Buchpranger, Im Interview, Stadtgespräch

Viel Freizeit habe ich tatsächlich nicht, und Langeweile sowieso nie. Aber genau diesen Trubel brauche ich einfach.

*Klick* Foto © André Linke andrelinke.de

Zunächst einmal vielen Dank, dass du dich zu diesem Interview bereit erklärt hast. Unsere Leser des „Bücherstadt Kurier“ warten schon gespannt auf die erste Ausgabe und freuen sich, ein Interview von dir zu lesen. Kommen wir also zu der ersten Frage:

Dein richtiger Name ist Carina Linke – wie bist du auf das Pseudonym André Linke gekommen? Und wozu ein Pseudonym?

Ehrlich gesagt bereue ich die Pseudonym-Idee ein bisschen. Ich dachte, es wäre nicht schlecht, auch in dem Sinne den Beruf vom Privatleben zu trennen. Leider hat es aber so einiges in meinem Leben komplizierter gemacht – zum Beispiel musste ich André in meinen Personalausweis eintragen lassen, um bei der Post Pakete für André Linke abholen zu dürfen. Und so strikt geht das als Künstler auch gar nicht, das Privatleben ganz davon abzukoppeln, was auch gut so ist. Nun ziehe ich das mit dem Pseudonym durch – empfehlen kann ich es allerdings nicht. Die Wahl des Namens war jedenfalls leicht: Der Arzt meinte vor meiner Geburt, ich würde ein Junge werden, und da hatten sich meine Eltern André schon als Namen überlegt. Ich wollte diese kleine Geschichte aufrecht erhalten und finde außerdem den Namen sehr schön. Leider wissen nur hierzulande viele nicht, dass André in seinem Herkunftsland Frankreich ein Vorname für Frauen wie Männer ist. Ich werde gerne gefragt, ob ich denn etwa anonym bleiben oder ein Mann sein möchte. Ein kurzer Blick auf Google zum Beispiel genügt, um sich beide Fragen selbst mit Nein beantworten zu können.

Woher kam die Inspiration zu deinem „CRYSTAL YORKSHIRE“-Projekt?

CRYSTAL YORKSHIRE ist in seiner letztendlichen, gedruckten Form mehr eine Komödie als – wenn ich das so sagen darf – trockene SciFi. Dieses ausschlaggebende Element kam erst nach vielen Jahren und Versionen hinzu, als ich gerade THE HITCHGIKER’S GUIDE TO THE GALAXY las, was ja als die SciFi-Satire schlechthin gilt und mich sehr begeistern konnte. Douglas Adams war mir also eine große Inspiration. Erst durch den eher spontanen Comedy-Aspekt lief es für mich persönlich mit CRYSTAL YORKSHIRE richtig gut. Ursprünglich war die Geschichte eine Fanfiction zu dem alten DOS-Flugsimulator DESCENT – die zweite Inspirationsquelle. Dabei hatte sich CRYSTAL YORKSHIRE aber schnell zu einer eigenständigen Geschichte entwickelt, so dass ich daraus schnell ein eigenes Werk formen konnte. In der Fanfiction, die für meine amerikanischen DESCENT-Clanmitglieder gedacht war, findet sich jedenfalls der Ursprung für die ganzen englischen Namen und Begriffe in der Geschichte. Mir wird ja gerne mal vorgeworfen, ich entscheide mich für englische Namen, weil das cool wäre…

Hast du deinen Helden etwas von deinen Interessen oder deiner Persönlichkeit gegeben?

Ja, ich habe einige Charakter- und Gesichtszüge von mir und Freunden auf die Figuren übertragen. Unterschiedliche bis gegensätzliche Züge verteile ich dabei manchmal auf die Figuren, damit sie ausgeprägter erscheinen. Das mache ich aber nicht immer – je nach dem, was für das jeweilige Projekt besser passt. Dabei muss es nicht immer darum gehen, was der Handlung hilft – manchmal ist es reine Gefühlssache.

Wie kamst du auf die Idee, dein Buch zu veröffentlichen?

Geschrieben und veröffentlicht habe ich schon immer. Bereits in der dritten Klasse habe ich mein eigenes Tiermagazin herausgebraucht und an gleichaltrige Leser in ganz Deutschland verschickt. Dass irgendwann das erste Buch folgen würde, war mir – und anderen – schon immer klar.

Gleich zwei Nominierungen im Jahr 2007 – wie hast du dich dabei gefühlt?

Die zwei Nominierungen für den Deutschen Phantastik Preis 2007 mit dem ersten CRYSTAL-YORKSHIRE-Band brachten gemischte Gefühle mit sich. Zunächst habe ich mich wahnsinnig gefreut über diesen Erfolg. Dann durfte ich aber in dem Blog eines mir nicht weiter bekannten Schriftstellers lesen, dass er mir Manipulation vorwirft. Es könne ja gar nicht mit rechten Dingen zugehen, wenn ein Newcomer eines Kleinverlags zwei solche Nominierungen bekommt. Das fand ich natürlich schade, auch wenn sich der Schriftsteller nach einem Blog-Kommentar von mir entschuldigt hat. Als Folge der Nominierung durfte ich zur Buchmessecon 2007 reisen, meine allererste Lesung vor 30 Zuhörern veranstalten und vor 700 Zuhörern eine Laudatio an Markus Heitz halten, der dann mehrere Phantastik Preise erhielt. Das war ein aufregendes Wochenende, das einige Szene-Leute auf mich aufmerksam gemacht, mich aber auch überwältigt hat. Letztendlich kann ich sagen, dass es mir seit Jahren als hilfreiche Referenz dient und ich den Lesern, die für mich gestimmt haben, überaus dankbar bin. Schriftsteller können ihre Leser ruhig dazu aufrufen, für sie abzustimmen – das ist durchaus legitim für einen Publikumspreis, ohne Manipulation natürlich.

Für den vierten Band arbeitete Léontine Mandela als Ghostwriterin. Was steckt hinter dieser Zusammenarbeit?

Léontine hat auch für CRYSTAL YORKSHIRE 5 als Ghostwriterin mitgewirkt und war die Haupt-Autorin meines Romans ALIAS CYNTHIA. Uns verbindet eine langjährige Zusammenarbeit und eine tiefe Freundschaft. Für CRYSTAL YORKSHIRE kann Léontine meine dort angewandte Schreibe einwandfrei adaptieren; für ALIAS CYNTHIA und ganz eigene Werke hat sie aber auch andere Stile drauf. Ich liebe Zusammenarbeiten, die teils Experimente, teils Erfahrungen und teils Hilfe sind. So war es auch mit Léontine, und man darf gespannt sein, was sie alleine noch so auf die Beine stellt. Der Begriff „Ghostwriterin“ ist für unsere Zusammenarbeit aber nicht ganz richtig. Schließlich haben wir es von Anfang an öffentlich gemacht, dass sie an diesen drei Werken von mir beteiligt war.

Im April erscheint der 5 Band der „CRYSTAL YORKSHIRE“- Reihe mit dem Titel „UNTER ZEITDRUCK – CRYSTAL YORKSHIRE EPSILON“ – ist das definitiv der letzte Band der Reihe?

Ja, definitiv. So verkünde ich es seit vielen Jahren und so wird es sein. Die Grundideen für jeden Band standen gleich zu Beginn fest. Und nach so vielen Jahren – der erste Version des ersten Bandes habe ich 1998 geschrieben – darf das Projekt ruhig mal zu Ende gehen. Zumal ich mittlerweile viel lieber Mainstream schreibe. Nicht, weil der Markt es verlangt, sondern weil es mir Spaß macht und ich auch gerne Mainstream anderer Künstler lese.

Hast du ein spezielles Ritual, bevor du anfängst zu schreiben oder gibt es etwas, das dich immer wieder inspiriert?

Nein, so etwas habe ich nicht. Im Laufe der letzten Jahre, habe ich gelernt, immer und überall als Autor zu funktionieren. Egal, ob ich gerade mit einem kleinen Netbook auf dem Schoß in einem lauten Zugabteil sitze, oder mich mit einem schon vollgekritztelten Notizbuch auf einer holprigen Autofahrt befinde, oder mich mit dem Laptop bei schönem Wetter auf den Balkon begeben oder ganz in Ruhe an meinem oder einem fremden Schreibtisch schreibe… in jeder Situation muss und möchte ich schreiben können. Sonst bekomme ich Probleme mit Deadlines oder mit mir selbst. Vor zehn Jahren etwa brauchte ich ganz bestimmte Bedingungen zum Schreiben. Aber so etwas gehört zu den Dingen, die sich antrainieren lassen.

Hast du schon Pläne und Idee für neue Romane und Projekte?

Pläne und Ideen habe ich immer. Das war nie anders. Ich glaube, jeder Schreiberling hat in seiner Schublade noch zwanzig andere Ideen, die auf ihre Umsetzung warten, während man sich gerade schon mit fünf Geschichten beschäftigt.

Welches deiner Bücher ist dein Lieblingswerk? Und warum?

Da kann ich mich bei bestem Willen für keins entscheiden. Ich denke, man sollte jedes Werk so gestalten, dass man auch später noch dahinter steht. Über das weit verbreitete Phänomen, dass einem ältere Werke irgendwann aus Prinzip nicht mehr gefallen, weil man sich weiterentwickelt hat, muss man hinwegsehen. Das ist normal. Es sollte schon einen triftigen Grund dafür geben, wenn man ein veröffentlichtes Werk noch einmal so richtig überarbeitet. Für einem Verlagswechsel zum Beispiel.

Neben dem Schreiben von Romanen bist du auch noch anderweitig tätig. Du bist Autorin für Carlsen (DAISUKI), Schriftstellerin für Experienze und Redakteurin für Kids Zone. Außerdem assistierst du bekannteren Mangaka – bleibt da überhaupt noch Zeit für dich?

Viel Freizeit habe ich tatsächlich nicht, und Langeweile sowieso nie. Aber genau diesen Trubel brauche ich einfach. Ich kenne genauso viele Leute, die ihn ebenfalls brauchen, wie Leute, die damit nichts anfangen können. Da muss man einfach für geboren sein. Aber jeder, der sich mit mir anfreundet, lernt mich direkt so kennen. Die einen sind selbst sehr beschäftigt, die anderen haben Verständnis dafür, dass man sich eben nicht so oft sieht. Ich bin auch eh der Typ Mensch, der lieber wenige richtige Freundschaften als viele oberflächliche hat. Für die nimmt man sich dann auch gerne Zeit. Mein Eindruck ist außerdem, dass immer mehr diesem Trubelwahn verfallen. Das Leben wird immer teurer, die Arbeit hektischer, die Anforderungen höher. Es scheint ein Trend zu sein, dass wir alle flexibler und flexibler werden sollen. Wir müssen auf unsere Gesundheit aufpassen.

Arbeitest du auf ein bestimmtes Ziel hin? Wenn ja, welches?

Es mag kitschig klingen, aber schon wenn eine einzige Person eines meiner Werke liest und dadurch abschalten und träumen kann, ist mein Ziel erreicht. Der Gedanke daran ist schön und treibt mich an.

Wenn du dir irgendeine andere Karriere aussuchen könntest, was würdest du tun?

Es wäre nicht wirklich eine andere Karriere, weil ich nichts lieber tue, als zu schreiben, aber vielleicht sollte ich mal ein richtig niveauloses Buch schreiben, das dann ein Bestseller wird und mir jahrelang Projekte finanziert, die mir richtig Spaß machen. Das wäre doch mal was!

Wenn du ein Buch wärst, was für eines wärst du

Das bin ich ja noch nie gefragt worden. Schwierig. Ich denke, ich wäre gerne ein Buch mit einer lustigen, süßen Liebesgeschichte, die ihre Leser zum Lachen bringt und mit einem guten Gefühl in den Alltag zurückkehren lässt. Der teilweise schlechte Ruf von solch leichter Unterhaltung ist mir ein Rätsel, denn ich finde, das wahre Leben ist schon traurig und tiefsinnig genug. Klar, Geschmäcker sind verschieden, aber muss man denn immer gleich alles niedermachen, was einem nicht zusagt? Ich respektiere jedes Genre. Selbst wenn ich zum Beispiel ein Kitsch-Groschenroman wäre, dann wäre ich es gerne.

Und die letzte Frage: Welche Frage hast du dir schon immer mal in einem Interview gewünscht und wie würde deine Antwort darauf lauten?

Auf jeden Fall wäre es nicht die Frage, was für ein Buch ich gerne sein würde…

Vielen Dank für das informative Interview!

Ich danke für die interessanten Fragen!

 Alexa

Alexa Sprawe

Alexa Sprawe

Alexa ist als Chefredakteurin an den verschiedensten Orten der Bücherstadt anzutreffen, vor allem dort, wo die Redaktionsmitglieder an neuen Ideen tüfteln, ein kritischer Blick auf Texte gefragt ist oder es um Gestaltungsfragen geht. Sie hat Germanistik und Kunst-Medien-Ästhetische Bildung an der Uni Bremen studiert und den Bücherstadt e.V. mitgegründet. Heute lebt sie mit ihrem Mann, ihren zwei Kindern und zwei Katzen in Halle an der Saale, studiert Angewandte Medien- und Kulturwissenschaft, schreibt für diverse Magazine und gestaltet Websites.

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